Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

790 Abschnitt XII. Gesetz über die Presse. 
  
Zu Anmerkung 2 auf S. 789. 
Verschulden auszuschließen geeignet seien. Beispiele: Das Gesetz mache die strafrecht- 
liche Veranwortlichkeit des Redakteurs einer Zeitschrift in seiner Eigenschaft als 
geistiger Urheber der ganzen Nummer eines Zeitungsblattes nicht von der besonderen 
Darlegung ihm beiwohnender Kenntniß des strafbaren Juhaltes der Druckschrift ab- 
hängig. Abgesehen von Strafausschließungsgründen, welche das allgemeine Strafrecht 
jedem Angeschuldigten gegenüber anerkennt, könne zwar die strafrechtliche Haftbarkeit 
des Redakteurs einer periodischen Druckschrift als Thäter durch „besondere Umstände“ 
ausgeschlossen, ein solcher ausnahmsweiser Strafbefreiungsgrund könne aber nicht 
darin gefunden werden, daß der Angeklagte nach der bei seiner Zeitung bestehenden 
Geschäftsvertheilung mit Prüfung der für den Inseratentheil bestimmten Artikel nicht 
befaßt sei. Als „besondere Umstände“ im Sinne des Preßgesetzes könnten nur außer- 
gewöhnliche Umstände gelten, welche auch einen gewissenhaften Redakteur ohne eigenes 
Verschulden verhinderten, im Einzelfalle die gesetzlich gebotene Thätigkeit auszuüben. 
— Der Redakteur einer periodischen Druckschrift sei für den gan zen Inhalt verant- 
wortlich und müsse dafür sorgen, daß ihm die zeitige Kenntnißnahme und Prüfung 
jedes einzelnen Artikels mit Einschluß der Inserate gesichert bleibe. Die Nen- 
nung des Namens des Verfassers schließe die Verantwortlichkeit des Redakteurs nur 
insofern aus, als die Ahndung wegen Fahrlässigkeit aus §. 21 erfolgt, Erk. R. G. 
26. April 1880 (E. Crim. II. 28). Vergl. E. Crim. III. 434; V. 301, 314; X. 
229; XVIII. 142. 
Ebensowenig werde der Redakteur gegen die Strafe als Thäter durch den 
Nachweis geschützt, daß er von dem Inhalte der veröffentlichen Druckschrift oder ein- 
zelner Theile derselben vor der Veröffentlichung keine Kenntniß hatte, Erk. 14. Nov. 
1879 (E. Crim. I. 14), wohl aber durch den Umstand, daß der Drucker den 
von dem Redakteur einer periodischen Zeitschrift geprüften und gebilligten Text nach 
der fs eigenmächtig verändert habe, Erk. R. G. 13. April 1885 (E. Crim. 
XII. 294). 
Diese Theorie ist durch Beschluß der vereinigten Strafsenate vom 
6. Juni 1891 (E. Crim. XXII. 65, übereinstimmend XXII. 221) aufgegeben 
worden. Darnach enthält §. 20 Abs. 2 nur eine Beweisvermuthung und eine Ab- 
weichung von den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen der freien Beweiswürdigung. 
Der verantwortliche Redakteur hat die Vermuthung mit seinem Wissen und Winllen 
geschehener Veröffentlichung des gesammten Inhalts der Druckschrift stets dergestalt 
gegen sich, daß diese Vermuthung als gesetzliche Regel solange gegen ihn streiten soll, 
bis sie durch besondere Umstände als ausnahmsweise im Einzelfalle nicht zutreffend 
besonders entkräftet wird. 
Die Strafbarkeit bemißt sich also nach den bestehenden allgemeinen Strafgesetzen, 
Abs. 2 will nur die Führung des Anklagebeweises erleichtern. Vergl. E. Crim. 
XXV. 404. 
Als besondere Umstände werden auch jetzt, wie früher, alle diejeuigen anzusehen 
sein, wo der Redakteur den strafbaren Inhalt weder kannte, noch ihn ohne Verschulden 
hätte kennen müssen. Die Grenze des schuldhaften sich Entziehens der Keuntnißnahme 
ist aber weiter zu stecken, und es ist der Redakteur freizusprechen, wenn er nicht nur 
den Mangel der Kenntniß, sondern auch den Mangel des Verschuldens an der unter- 
lassenen Kenntnißnahme bezw. Verschuldung nachweist. Vergl. Stenglein S. 441. 
Die Annahme der Thäterschaft eines verantwortlichen Redakteurs, der den Ab- 
druck eines Inserates mit strafbarem Inhalte angeordnet hat, wird durch dessen spätere 
bloße Kundgebung seiner Willensänderung dahin, daß er die Aufnahme des Juserates 
nicht dulden werde, nicht ausgeschlossen, Erk. R. G. 4. Juli 1895 (E. Crim. 
XXVII. 338). 
In der willkürlichen Enthaltung von den Redaktionsgeschästen wird in der Regel 
ein schuldhaftes Entziehen zu finden sein, E. Crim. XXII. 221. 
Ein Inserat über eine ohne obrigkeitliche Erlaubniß veranstaltete Ausspielung 
macht den Redakteur nicht aus §. 20 haftbar und begründet nicht den Thatbestand 
des §. 286 R. Str. G. B., doch kann der Redakteur, wenn er vorsätzlich mit Even- 
tualdolus handelte, als Gehülfe strafbar sein, E. Crim. XXVI. 226. 
Haben mehrere Personen gemeinsam den Abdruck eines beleidigenden Zeitungs- 
artikels bewirkt, so ist es rechtlich zulässig, dem einen den Schutz des §. 193
	        
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