Abschnitt XIV. Vereinsgesetz. 839
Diese Strafen sind jederzeit verwirkt, wenn die Versammlung oder der
Aufzug in Städten und Ortschaften oder auf öffentlichen Straßen, oder wenn
eine Volksversammlung in den Fällen des 8. 11 stattgefunden hat. In allen
anderen Fällen sind die Theilnehmer und selbst diejenigen, welche als Redner
aufgetreten sind, nur dann strafbar, wenn die Versagung der Genehmigung
oder das nachträgliche Verbot vorher öffentlich oder den Theilnehmern besonders
bekannt gemacht war. Wird die Nichtgenehmigung oder das Verbot während
der Versammlung oder während des Aufzuges selbst bekannt gemacht, so kann
sich wegen seiner späteren Betheiligung Niemand mit Unkenntniß der Nicht-
genehmigung oder des Verbots entschuldigen.
§. 18. Wer gegen das Verbot des §. 7 in einer Versammlung bewaffnet
erscheint, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu sechs Monaten bestraft.
. 19. Wer auffordert, in einer Versammlung mit Waffen zu erscheinen,
oder die Aufforderung hierzu verbreiten läßt, oder in einer Versammlung Waffen
austheilt, wird mit Gefängniß von sechs Wochen bis zu einem Jahre bestraft.
§. 20. (Veraltet.) *
§. 21. Auf die durch das Gesetz oder die gesetzlichen Autoritäten) an-
geordneten Versammlungen und die Versammlungen der Mitglieder beider
Kammern während der Dauer der Sitzungsperiode finden die vorstehenden Be-
stimmungen keine Anwendung.
Wahlvereine?) unterliegen den Beschränkungen des §. 8 nicht.
§. 22. Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des Artikels 38 der Ver-
fassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850, welcher also lautet:
„Die bewaffnete Macht darf weder in noch außer dem Dienste berath-
schlagen, oder sich anders, als auf Befehl versammeln. Versammlungen
und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Einrichtungen,
Befehle und Anordnungen sind auch dann, wenn dieselbe nicht zusammen-
berufen ist, untersagt"
wird nach den Bestimmungen des §. 125 des ersten Theiles des Militär-
Strafgesetzbuches") bestraft.
§. 23. Gegenwärtiges Gesetz tritt an die Stelle der Verordnung vom
29. Juni 1849 (G. S. S. 221—225).
1) Das sind alle dem öffentlichen Rechte angehörigen Verbände der Gemeinden,
Kreise, Bezirke und Provinzen, ferner diejenigen Vereine, die jenen durch Gesetz oder
Anordnung der Staatsregierung gleichgestellt sind, z. B. Religionsgesellschaften, Aktien-
gesellschaften, Hülfskassen u. s. w., Erk. K. G. 13. Nov. 1893 (G. A. XII. 317).
Doch muß die Berufung der Versammlung auch wirklich durch die betr. Autoritäten
und überhaupt in gesetzlicher Weise geschehen sein, E. K. XIV. 354; Erk. K. G.
6. Dez. 1894 (G. A. XIII. 441). Schulfeste, die von der vorgesetzten Schulbehörde
angeorongt 7 unterliegen dem Vereinsgesetz nicht, Erk. K. G. 5. Mai 1881
E. K. II. .
2) Vergl. §. 17 Wahlges. 31. Mai 1869 oben S. 25.
Ein politischer Verein ist nur dann ein „Wahlverein“ und als solcher von den
für politische Vereine geltenden Beschränkungen befreit, wenn er lediglich in Be-
ziehung auf konkrete anstehende Wahlen eine Wirksamkeit entfaltet — eine Vereinigung
Mehrerer, welche unter Leitung eines Geschäftsführers in öffentlichen Versammlungen
pvolitische Gegenstände zu erörtern bezweckt, ist ein selbständiger politischer Verein und
verliert diese Eigenschaft auch nicht dadurch, daß er im Uebrigen sich als Neben-
verein eines anderweitig bestehenden Hauptvereins darstellt; vielmehr fällt gerade dann
diese Verbindung unter das Verbot des Vereinsges. §§. 8, 16, 21, Erk. 27. Jan.
1869 (M. Bl. S. 54).
Das Verweilen im Wirthshause nach gebotener Polizeistunde kann nicht deshalb
für straflos erachtet werden, weil die Versammelten sich über eine Wahl zum Landtage
besprachen. Das Verweilen im Wirthshause über eine durch Polizeiverordnung vor-
geschriebene Polizeistunde hinaus ist aber nur dann strafbar, wenn ein Pelizeibeamter
oder der Wirth zum Fortgehen aufgefordert hatte, Erk. O. Trib. 29. Jan. 1874
(O. R. XV. 43). »
28) Gegenwärtig kommen die 88. 92, 93, 101, 113 Mil. Str. G. B. 20. Juni
1872 zur Anwendung.