Abschnitt XVI. Cholera. 891
Zu Anmerkung 1 auf S. 890.
Schulkinder, in deren Wohnort die Cholera herrscht, vom Besuch der Schule in einem
noch cholerafreien Orte ausgeschlossen werden. An Orten, wo die Cholera heftig auf-
tritt, find die Schulen zu schließen.
Gleichartige Bestimmungen müssen auch hinsichtlich des Besuches jedes ander-
weitigen Unterrichts erlassen werden.
4. Für den Eisenbahnverkehr gelten die in der Anl. III enthaltenen Be-
stimmungen?).
5. Die Polizeibehörde eines Ortes wird je nach den Umständen auf solche
Personen ein besonderes Augenmerk zu richten haben, welche dort sich aufhalten,
nachdem sie kurz zuvor in von der Cholera heimgesuchten Orten gewesen waren. Es
empfiehlt sich, die Zugereisten einer, nach ärztklichem Dafürhalten zu bemessenden,
aber nicht über 5 Tage, vom Tage der Abreise aus dem Choleraorte hinausgehenden
Beobachtung zu unterstellen; jedoch in schonender Form und so, daß Belästigungen
der Personen thunlichst vermieden werden.
Die von der Landescentralstelle für zuständig erklärten Verwaltungsbehörden
können für den Umfang ihres Bezirks oder für Theile desselben anordnen, daß zu-
reisende Personen, sofern sie sich innerhalb einer Frist von 5 Tagen vor ihrer
Ankunft in von Cholera betroffenen Orten oder Bezirken aufgehalten haben, ihre
Ankunft der Ortspolizeibehörde schriftlich oder mündlich zu melden haben.
6. Besondere Maßregeln, insbesondere Beschränkung des Ausenthaltes oder der
Arbeitsstätte können bei Krankheits= oder Ansteckungsverdacht erforderlich werden gegen
Obdachlose oder einen festen Wohnsitz nicht besitzende oder berufs- oder gewohnheits-
mäßig umherziehende Personen (Zigeuner, Landstreicher, fremdländische Auswanderer, die
Bevölkerung der Flußfahrzeuge und der die öffentlichen Gewässer befahrenden Holzflöße).
7. Die Poltzzeibehörde des von Cholera ergriffenen Ortes hat dafür zu sorgen,
daß infizirte oder infektionsverdächtige Gegenstände vor wirksamer Desinfektion nicht
in den Berkehr gelangen. Insbesondere ist dort, wo sich ein Choleraherd entwickelt
hat, die Ausfuhr von Milch, von gebrauchter Leibwäsche, gebrauchtem Bettzeug, alten
und getragenen Kleidungsstücken, sowie von Hadern und Lumpen zu verbieten. Aus-
genommen find die auf hydraulischem Wege zusammengepreßten, in mit Eisenband
verschnürten Ballen im Großhandel versandten Lumpen, ferner neue Abfälle, die direkt
aus Spinnereien, Webereien, Konfektions= und Bleichanstalten kommen, Kunstwolle,
neue Papierschnitzel, sowie endlich unverdächtiges Reisegepäck.
Für den Postvacketverkehr aus Choleraortschaften kann vorgeschrieben werden, daß
der Inhalt der Packete auf der Verpackung oder der Begleitadresse bezeichnet sein muß.
Einfuhrverbote gegen inländische Choleraorte sind nicht zulässig. Inwieweit die
Einfuhr bestimmter Waarengegenstände aus dem Auslande zu untersagen ist, unter-
liegt der Bestimmung der Landescentralbehörde.
Es kann angebracht sein, gebrauchte Betten, Leib= und Bettwäsche und Kleidungs-
stücke, welche aus Choleraorten mitgebracht sind, zu desinfiziren. Außerdem dürfen
nur solche Gegenstände, welche nach ärztlichem Dafürhalten als mit Cholergent=
leerungen beschmutzt anzusehen sind, zwangsweise einer Desinfektion unterworfen werden.
8. Im Uetbrigen ist eine Beschränkung des Gepäck= und Güterverkehrs sowie des
Verkehrs mit Post-, (Brief= und Packet-) Sendungen nicht zulässig.
9. Für den Transport der Kranken find dem öffentlichen Verkehr dienende Fuhr-
werke (Droschken u. dergl.) nicht zu benutzen. Hat eine solche Benutzung trotzdem
stattgefunden, so ist das Gefährt zu desinftziren.
*) Die auf polizeiliche Anordnung einzurichtenden Krankenanstalten an den
Eisenbahn-Uebergabestationen, um die Verbreitung der Cholera im
Inlande durch den Eisenbahnverkehr zu verhüten, sind (nach dem z. Z. geltenden
Recht) in der Regel nicht auf Kosten der Ortsgemeinden, sondern des Staats zu
beschaffen. Selbst zum Zwecke der lokalen Cholera-Krankenpflege ist eine Ortsge-
meinde im Allgemeinen nicht verpflichtet, Krankenanstalten bereit zu halten,
mit Ausnahme des Falles der Annäherung der Cholera, in welchem das Reg.
8. Aug. 1835 die Gemeinden verpflichtet, für die Einrichtung zweckmäßiger, nicht zu
entsernt gelegener Krankenanstalten 2c. die Mittel zu beschaffen, Erk. O. V. G. 6. Jan.
1894 (E. XXVI. 75).