898 Abschnitt XVI. Krätze.
8. Krätze.
s. 74. Hinsichtlich der Meldung der Krätzkranken an die Ortspolizeibehörde gelten
die bei der Syphilis §. 65 gegebenen Vorschriften.
Wird eine in einem Bordell befindliche Frauensperson von der Krätze befallen
so liegt dem Wirthe oder der Wirthin die Verpflichtung ob, der Polizeibehörde un-
gesäumt davon Anzeige zu machen; bei Vermeidung einer Polizeistrafe von 15 Mark
oder 8tägiger Haft. · »
Das zur Bisitation von dergleichen Häusern verpflichtete ärztliche Personal hat
auch auf das Vorhandensein der Krätze mit besonderer Sorgfallt zu achten.
§. 75. Bleibt der Kranke in seiner Wohnung, so findet die §. 18 c gegebene
Vorschrift ihre Anwendung.
Dabei ist jede nähere Gemeinschaft desselben mit anderen Personen bis zur er.
folgten Heilung und nachherigen Reinigung seiner selbst und der gebrauchten Effekten
möglichst zu verhüten, und find in dieser Hinsicht Eltern und Vormünder auf ihre
Kinder und Pflegebefohlenen, Handwerksmeister auf ihre Gesellen und Lehrlinge, Dienst-
herrschaften auf ihr Gesinde zu achten verpflichtet.
§. 76. Sollte, nach dem Ermessen der Ortspolizeibehörde und Sanitäts-Kom-
missionen, das Verbleiben der Kranken in ihren Wohnungen mit Gefahr für das
Gemeinwesen verbunden sein, so sind dieselben in öffentlichen Kranken-Anstalten unter-
zubringen und zu heilen. Ist an dem Orte selbst oder in dessen Nachbarschaft ein
öffentliches Krankenhaus nicht vorhanden, so sind, besonders wenn die Krankheit sich
weiter verbreitet und eine größere Anzahl von Menschen befallen sollte, geeignete Lo-
kalitäten zur Aufnahme der Kranken einzurichten.
§. 77. Nach erfolgter Heilung sind die Genesenen, so wie deren Kleidungsstücke
und sonstige Effekten, insofern sie mit ihnen während der Krankheit in Berührung
gewesen sind, desgleichen die Wohnungen, nach Vorschrift der Anweisung zum Des-
infektionsverfahren gründlich zu reinigen.
Vernachlässigungen dieser Verordnung werden mit einer Geldstrafe von 6—15
Mark oder mit 3= bis Stägiger Haft geahndet.
§. 78. Die Polizeibehörden, sowohl in den Städten als auf dem Lande, haben
auf unbekannte und sich herumtreibende Personen in Beziehung auf etwa bei ihnen
vorhandene Krätze ein besonderes Augenmerk zu richten, dieselben bei passenden Veran-
lassungen ärztlich untersuchen zu lassen und, wenn der gehegte Verdacht sich bestätigen
sollte, für die zweckmäßige Unterbringung und Heilung derselben Sorge zu tragen
(vergl. §. 15). Dasselbe gilt hinsichtlich der wandernden Handwerksgesellen und Juden,
auf welche Letztere besonders in Meßorten und bei Jahrmärkten mit Sorgfalt deshalb
zu vigiliren ist.
Dienstboten haben es ihren Herrschaften, Gesellen und Lehrlinge ihren Meistern
anzuzeigen, wenn sie glauben, von der Krätze angesteckt zu sein. Herrschaften und
Meister sind verpflichtet, in dieser Hinsicht auf ihre Dienstboten, Gesellen und Lehrlinge
aufmerksam zu sein, und verbunden, die zur Heilung der Erkrankten und zur Ver-
hütung einer weiteren Verbreitung der Krankheit erforderlichen Maßregeln zu treffen.
Unterlassungen und Versäumnisse hierin sollen nach Befinden der Umstände mit
einer Geldstrafe von 6—15 Mark oder 3- bis Stägiger Haft geahndet werden
Eine besonders genaue Aussicht ist zu führen auf die in Arbeits= und Versorgungs-
häusern, Waisenhäusern, Strafanstalten, Gefängnissen u. a. dergl. öffentlichen An-
stalten befindlichen Personen, welche von Zeit zu Zeit in dieser Hinsicht von den dabei
angestellten Medizinalbeamten genau zu inspiziren sind.
8. 79. In Betreff des Handels mit alten Kleidungsstücken, besonders wollenen
Stoffen, Pelzwerk und dergleichen, so wie mit alten Betten und andern Gegenständen,
welche von Krätzkranken gebraucht worden sind, gelten die im §. 21 gegebenen Be.
stimmungen und ist hier mit besonderer Genauigkeit darauf zu achten, daß dergleichen
Sachen nicht eher wieder in den Verkehr kommen, als bis sie nach Vorschrift der
Desinfektions-Instruktion auf das Sorgfältigste gereinigt worden sind (§S. 77).
§. 80. Die Polizeibehörden haben bei geschehener Meldung, in Gemeinschus:
mit den Medizinalpersonen, die Quelle des Uebels möglichst auszumitteln, um in
dieser Hinsicht die geeigneten Maßregeln zu treffen und der weiteren Verbreitung der
Krankheit entgegenzuwirken.