Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XVII. Nahrungsmittel-Gesetz. 949 
2. wer wissentlich Nahrungs= oder Genußmittel, welche verdorben ) oder 
Zu Anmerkung 2 auf S. 948. 
295) und nicht etwa durch ihre Verwendung eine Veränderung des Normalprodukts 
herbeigeführt wird, Erk. R. G. 21. Mai 1885 (E. Crim. VII. 314). Der Zusatz 
von Bierkouleur zum fertigen Bier ist Fälschung, Erk. 11. Juni 1885 (E. Crim. 
VII. 374). Diese Erkenntnisse gelten auch für bairisches Weißbier, vergl. Erk. R. G. 
31. März 1884 (Rechtspr. VI. 249). Im Zusatz nicht reinen Traubenzuckers zum 
Bier kann wohl eine Verfälschung gefunden werden, Erk. R. G. 4. März 1884 
(Rechtspr. VI. 170). 
Eine Verfälschung liegt auch in der Beimischung von Kartoffeln, Stärkemehl und 
Wasser zu Würsten, E. Crim. XV. 161; in der Vermischung von Weizengries mit 
Maisgries, E. Crim. III 234; im Zusatz fremdartiger Stoffe zum Naturwein 
(Wasser, Alkohol, Farbe, Zucker, Hollunderbeeren, Kunstwein), E. Crim. II. 418; 
XIV. 428; XV 192, 321; in der Vermischung nicht entrahmter mit entrahmter 
Milch, Erk. R. G. 11. Dez. 1884 (Rechtspr. VI. 796); im Zusatz von Saubohnen- 
mehl zu einer Mischung von Roggen= und Weizenmehl, E. Crim. XVI. 316; im Färben 
des Kaffees mit Ocker und Oel, um ihm die gleichmäßige Färbung besserer Sorten, 
bezw. ben düreen Bohnen den Anschein normaler Beschaffenheit zu geben, E. Crim. 
XXVII. 73. 
Durch den Zusatz unbrauchbarer Theile einer Pflanze zu Fabrikaten aus den 
brauchbaren Theilen derselben (Tabak) kann Fälschung des letzteren begangen werden, 
wenn durch den Zusatz die Qualität des Fahrikates erheblich verschlechtert und dessen 
Zusammensetzung eine andere wurde, als stillschweigend oder nach Uebereinkunft er- 
wartet werden durfte, Erk. R. G. 4 Juni 1881 (E. Crim. IV. 311). (In casu 
hatte der Angeklagte dem von ihm verkauften Tabak in erheblichem Maße die holzigen, 
Nikotin nicht enthaltenden Theile der Tabakspflanze zugesetzt, nachdem er dieselben 
zuvor mit Kastanienbraun oder Nußbraun gefärbt hatte.) 
Der Zusatz eines Farbstoffs zu Fleischwaaren erscheint, auch wenn die 
Farbe weder gesundheitsschädlich noch ekelerregend ist, als Verfälschung der Waare, 
wenn diese durch den Zusatz einen einer besseren Beschaffenheit entsprechenden Anschein 
erhält, oder wenn den mit dem Zusotz Bekannten der Genußwerih der Waare ver- 
ringert erscheinen würde, und der Zusatz der normalen Beschaffenheit der Waare nicht 
entspricht, Erk. R. G 18. Febr. 1882 (E. Crim. VI 51). 
1) Der Begriff des Verdorbenseins von Nahrungsmitteln beschränkt sich 
nicht auf die Ungenießbarkeit derselben durch innere Zersetzung, sondern muß ins- 
besondere auch dann angenommen werden, wenn der Genuß derselben durch Er- 
krankung des Thieres, von welchem sie stammen, ekelerregend ist. Der Glaube, der 
Verkauf eines solchen Nahrungemittels sei nicht verboten, schließt die Anwendung des 
Gesetzes nicht aus, wenn der Verkäufer die Beschaffenheit des Nahrungsmittels kennt, 
Erk R G. 5. Okt. 1881 (E. Crim. V. 290). 
Unter verdorbenen Nahrungsmitteln sind nicht nur solche zu verstehen, 
deren guter Zustand durch äußere oder innere Vorgänge in einen schlechten Zustand 
verändert ist, sondern auch solche, welche vor der Fertigstellung in ihrem Entwickelungs- 
stadium derart gestört sind, daß sie in unbrauchbarem Zustand zur Vollendung kommen, 
Erk. R. G. 3. Jan. 1882 (E. Crim. V. 287). (In casu handelte es sich um das 
Fleisch von ungeborenen Kälbern) 
Es kann nicht der Ansicht beigepflichtet werden, daß ganz allgemein Fleisch solcher 
Thiere, welche überhaupt an einer Keankbeit gelitten, als verboten im Sinne des 
§. 10 zu betrachten sei. Als verdorben im Sinne des Gesetzes erscheint vielmehr nur 
ein solches Nahrungs= oder Genuhmittel, welches, infolge von Veränderungen des 
normolen Zustandes, nach allgemeiner Ansicht zum Genusse der Menschen ungeeignet 
ist, Eerk R G 12. Jan. 1882 (E. Crim. V. 343/. (In casu war das Fleisch 
einer Kuh verkauft worden, die an Verstopfung gelitten und nicht mehr gefressen 
hatte und deshalb vom Eigenthümer abgestochen worden war. Die Sachverständigen 
hotten bekundet, daß das Fleisch der Kuh, weil sie nicht an einer ansteckenden Krank- 
heit gelitten hatte und vor dem Eintritt des natürlichen Todeskampfes abgestochen 
war, für Menschen wohl genießbar gewesen sei.) ç 
Desgl. gilt als verdorben: Finniges Schweinefleisch, E. Crim V. 290; Bier, 
bei dessen Kochen eine Katze mitgekocht worden war, E. Crim. XXIII. 409. 
 
	        
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