Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

960 Abschnitt XVII. Nahrungsmittel-Gesetz. 
nachgemacht oder verfälscht sind, unter Verschweigung dieses Umstandes ver- 
kauft!) oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung 2) feilhält. 
  
Zu Anmerkung 1 auf S. 949. 
Fleisch, das durch Abmagerung des Thieres in seiner Tanglichkeit als Nahrungs- 
mittel erheblich herabgesetzt ist, kann deshalb allein nicht als verdorben bezeichnet 
werden, Erk. R. G. 9. Juli 1883 (Rechtspr. V. 501). # « 
Dagegen kann Fleisch, in welches mit dem Munde Luft eingeblasen ist, als ver- 
dorben angesehen werden, Erk. R. G. 27. Mai 1887 (Rechtspr. IX. 355). 
Es liegt keine hinreichende Veraulassung vor, die Verwerthung minderwerthigen, 
aber der menschlichen Gesundheit nicht schädlichen Fleisches unter besondere polizeiliche 
Kontrolle zu stellen, Res. 11. Febr. 1890 (M. Bl. S. 94). (In casu handelte es 
sich um die Verwerthung des Fleisches verlsüchtiger Kühe.) " 
Die bloße Ekelhaftigkeit eines Nahrungs= und Genußmittels genügt an sich 
noch nicht, um dasselbe als verdorben zu bezeichnen, Erk. R. G. 5. Mai 1882 
(Rechtspr. V. 431). 
Der Fabrikant nachgemachter oder verfälschter Nahrungs= oder Genußmittel wird 
auch dann von Strafe betroffen, wenn er zwar seinem unmittelbaren Abnehmer diese 
Beschaffenheit mittheilt, er jedoch im Uebrigen gleichwohl bewußtermaßen durch sein 
Fabrikat den Zwecken der Täuschung dient, nämlich der Täuschung jenes Publikums, 
das die Waare als echte aus der Hand jenes Abnehmers, sei es unmittelbar oder 
mittelbar, erhält, Erk. R. G. 17. Jan. 1881 (E. Crim. III. 274). 
Der §. 10 Nr. 2 setzt zu seiner Anwendbarkeit nicht voraus, daß der Käufer 
über die Beschaffenheit der Waare, welche er kaufte, von dem Verkäufer getäuscht 
worden ist; käme dieser Umstand hinzu, so würde eventuell die That vom Gesichts- 
punkte des Betruges aus zu beurtheilen sein. Der §. 10 Nr. 2 findet vielmehr beie 
dem Vorhandensein der sonstigen Voraussetzungen des Gesetzes auch dann Anwendung, 
wenu dem Käufer die fehlerhafte Beschaffenheit der Waare bekanm war, Erk. 11. Juli 
1887 (E. K. VII. 230). (Das Gesetz hat den Zweck, zu verhüten, daß überhaupt 
verdorbene und gefälschte Nahrungs= oder Genußmittel in den öffeutlichen Verkehr 
gelangen.) E. Crim. XXVI. 114 unterscheidet in einem solchen Falle, ob der Ver- 
käufer von der Kenntnuiß des Käufers wußte, da er sonst wenigstens mit Eventnal= 
dolus handelte. 
1) Darunter ist jede Veräußerung gegen Entgelt zu verstehen. Das Gewähren 
von Kost und Wohnung gegen eine Gesammtentschädigung ist Verkauf der Kost, 
E. Crim. XXIII. 396. 
2:) Die Strafbarkeit wegen wissentlichen oder fahrlässigen Feilhaltens nachge- 
machter oder verfälschter Nahrungs= oder Genußmittel setzt deren Feilhalten unter 
einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung voraus, Erk. R. G. 18. Febr. 1881 
(E. Crim. III. 330). Und zwar ist eine direkte Bezeichnung erforderlich, während 
beim Verkauf das Verschweigen der wirklichen Beschaffenheit genügt. Es genügt nicht 
das Feilhalten an einem Orte, wo das Publikum gewohnt ist, gute Waare zu finden, 
E. Crim. XII. 301; wohl aber genügt unter Umständen ein unwahres Etikett beim 
Wein wenn dieser dadurch einen seinem wahren Wesen widersprechenden Schein 
erhält (s. u. S. 957 Anm. 6), E. Crim. XIV. 428. 
Das Verkaufen und Feilhalten nachgemachter oder verfälschter Nahrungs= und 
Genußmittel ist nach §. 10, 2 strafbar, sollte auch die hergestellte Waare durch die 
vorgenommene Veränderung in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit nicht verschlechtert 
und an sich nicht gesundheitsgefährlich sein, Erk. R. G. 24. Febr. 1882 (Rechtspr. IV. 
194). (In casu hatte der Angeklagte eine Flasche Himbeerliqueur verkauft, die er mit 
Fuchsin gefärbt, um ihr das Ansehen einer besseren Beschaffenheit zu geben.) 
Feilhalten kann auch gegenüber einem begrenzten Kreise von Personen statthaben, 
Erk. R. G. 2. Nov. 1886 (E. Crim. XIV. 428). 
Lokale Uebungen können unter Umständen eine Abweichung von der normalen 
Beschaffenheit eines Nahrungsmittels rechtfertigen, sofern die Abweichungen dem 
Publikum bekannt sind, Erk. 14. Nov. 1887 (E Crim. XVI. 316). 
Der 5. 367, 7 Str. G. B erfordert (im Gegensatz zu §. 10 Nr. 2 Nahrungs- 
mittelges.) hinsichtlich des Feilhaltens verfälschter oder verdorbener Getränke oder 
Eßwaaren nicht, daß dem feilgeholtenen Gegenstande eine zur Täuschung geeignete 
Bezeichnung gegeben sei, Erk. R. G. 11. Febr. 1882 (E. Crim. VI. 34).
	        
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