Abschnitt XL. Katholischer Religionsunterricht. 1255
daß der Geistliche in Bezug auf seine Stellung zum Staat der Schulaufsichtsbehörde
ein Bedenken erregt und allen ressortmäßigen Anordnungen derselben, insbesondere
binsichtlich der Lehrbücher, der Vertheilung des Unterrichtsstoffes auf die einzelnen
asent der Schulzucht und pünktlichen Innehaltung der Lehrstunden pflichtmäßig
richt.
Demgemäß sind Geistliche, welche wegen Nichterfüllung einer dieser Voraus-=
setzungen die Kreis= oder Lokalschulinspektion hat entzogen oder welche von der Leitung
des schulplanmäßigen Religionsunterrichtes haben ausgeschlossen werden müssen, selbst-
redend auch von der Ertheilung des letzteren auszuschließen.
4. An Orten mit konfessionell gemischter Bevölkerung, in welchem ein katholischer
Lehrer nicht vorhanden ist, kann der gesammte Religionsunterricht, wenn es bisher so
üblich war, unter den zu 3 erwähnten Voraussetzungen auch ferner den Geistlichen
überlassen werden.
5. Ueber Differenzen zwischen dem Geistlichen und dem Lehrer in Betreff des
Religionsunterrichtes entscheidet die Schulaufsichtsbehörde.
6. In den Fällen, wo es an einem vorschriftsmäßig geprüften Lehrer mangelt,
bestimmt die Königliche Regierung, wem die Ertheilung des Religionsunterrichts in
der Schule zustehen soll, insbesondere ob dazu der Verwalter der Stelle oder ein
Geistlicher aushilfsweise zu wählen sei. Es find dabei in jedem einzelnen Falle alle
in Betracht kommenden Verhältnisse sorgfältig zu erwägen.
Ein Geistlicher darf auch in solchen Fällen nur dann zugelassen werden, wenn
in Betreff seiner die zu 3 bezeichneten Voraussetzungen zutreffen.
7. Anlangend die Leitung des Religionsunterrichts, so ist von mir wiederholt
darauf hingewiesen worden, daß dieselbe nach Artikel 24 der Verfassungsurkunde vom
Zl. Januar 1850 den Religions gesellschaften zustehen soll, daß jedoch einerseits
dieser Artikel erst der näheren Bestimmung seines Inhalts durch das nach Arrikel 26
daselbst zu erlassende Unterrichtsgesetz bedarf, daß indeß andererseits nichts im Wege
steht, die darin enthaltene allgemeine Norm insoweit zur Anwendung zu bringen,
als dies die bestehenden Gesetze und die staatlichen Interessen gestatten.
Danach hat kein einzelner Geistlicher ohne Weiteres ein Recht, diese Leitung
zu beanspruchen; es ist jedoch in der Regel und so lange die kirchlichen Oberen ein
anderes Organ dazu nicht bestimmen, der gesetzlich bestellte Ortspfarrer als das zur
Leitung des Religionsunterrichtes berufene Organ zu betrachten. Sowohl der Orts-
pfarrer als auch der sonst von dem kirchlichen Oberen zur Leitung des Religions-
unterrichts bestimmte Geistliche darf aber dieselbe nur ausüben, so lange er durch
sein Berhalten nicht diejenigen Zwecke gefährdet, welche der Staat mit der Erziehung
der Jugend durch die Volksschule verfolgt.
8. Tritt ein solcher Fall ein, so hat die staatliche Aussichtsbehörde den Geist-
lichen zu eröffnen, daß er zur Leitung des Religionsunterrichts nicht ferner zugelassen
werden könne. Der Beschluß ist gleichzeitig zur Kenntniß der kirchlichen Oberen mit
dem Anheimgeben zu bringen, der staatlichen Aufsichtsbehörde einen anderen Delegirten
zu bezeichnen. Findet die staatliche Auffichtsbehörde gegen denselben Nichts zu erinnern,
so ist derselbe zur Leitung des Religionsunterrichts zuzulassen.
9. Der als Organ der betreffenden Religionsgesellschaft anerkannte Pfarrer oder
sonstige Geistliche ist berechtigt, dem schulplanmäßigen Religionsunterricht in den dafür
festgesetzten Stunden beizuwohnen, durch Fragen und soweit erforderlich, stellenweises
Eingreifen in den Unterricht sich davon zu überzeugen, ob dieser von dem Lehrer
vollständig und sachgemäß ertheilt wird, und welche Fortschritte die Schüler darin
gemacht haben, ferner den Lehrer (jedoch nicht in Gegenwart der Kinder) sachlich zu
berichtigen, Wünsche oder Beschwerden in Bezug für den Religionsunterricht der
staatlichen Aufsichtsbehörde vorzutragen und endlich bei der Entlassungsprüfung, wo
eine solche stattfindet, nach vorherigem Examen die Censur in der Religion mit fest-
zustellen 10.
10. Durch die zu 9 bezeichneten Befugnisse wird nichts geändert in dem Rechte
der Aufsicht, welches der Staat durch seine Organe in Gemäßheit des Gesetzes vom
11. März 1872 über den gesammten Unterricht einer jeden Schule und damit auch
über den katholischen Religionsunterricht in der Bolksschule zu üben hat.
1) Bergl. hierzu Res. 30. Dez. 1896 (C. Bl. U. V. 1897 S. 223) und 9. April
1897 (C. Bl. U. V. S. 632).