48 Der erste Kreuzzug 1096—1099.
Ziel zu lenken; aber er kam nicht mehr zur Ausführung seines Vor-
habens. Da trafen im Abendlande laute Klagen von den Pilgern
des heiligen Grabes ein, die von den Seldschukken allerlei Erpressungen
und Mißhandlungen auszuhalten hatten. Auch der griechische Kaiser
Alexius I. wandte sich an den Papst um Hilfe gegen die furchtbare
Macht der Türken. Urban II. nahm die Pläne Gregors sofort mit
Eifer auf, berief in seinem Heimatlande eine Kirchenversammlung nach
Clermont (Karte IV) und begeisterte hier die versammelte Menge
zu dem einstimmigen Rufe: „Gott will es!“ Tausende ließen sich
zum Zeichen, daß sie den Ungläubigen das heilige Grab entreißen
wollten, ein rotes Kreuz auf die rechte Schulter heften 1). Die
Predigten zahlreicher Volksredner — darunter der Einsiedler Peter
von Amiens — unterstützten die Bestrebungen des Papstes. Damit
begann denn ein allgemeiner Kampf des christlichen Abendlandes gegen
das mohammedanische Morgenland, ein Kampf, der 1. ganz
wesentlich zur Erhöhung der päpstlichen Macht beitrug, da das
ganze Abendland sich willig ihrer Leitung unterwarf, und 2. fast das
ganze bürgerliche Leben umgestalten sollte; denn ag die reichen Er-
zeugnisse des Orients flossen nun auch in das Abendland und riefen
einen großartigen Aufschwung des Handels und Gewerbes hervor,
der namentlich den italienischen Städten Genua, Pisa und Venedig,
später auch den deutschen Städten Augsburg, Regensburg, Basel, Mainz
und Frankfurt a. M. zugute kam; b) die Bekanntschaft mit fremden
Ländern und Völkern und ihrer höhern Kultur förderte im Abend-
lande Künste und Wissenschaften, namentlich die Erdkunde und
die Naturwissenschaften; c) die Erledigung vieler Lehen, deren Besitzer
zugrunde gingen, erhöhte die Macht der Fürsten; andrerseits erkauften
auch die Städte von den Fürsten, die in Geldnot waren, größere
Freiheiten; d) die Ritterschaft, d. h. der erbliche Kriegerstand
(equites, milites), dessen Mitglieder durch ihr Lehnsgut zum Roßdienste
verpflichtet waren und durch Turniere und andere eigentümliche Sitten?)
1) Daher stammt der Name Kreuzzug.
2) Die Stufenfolge, die ein junger Adliger durchzumachen hatte, war a) der
Edelknabe oder Junker vom 7.—14. Lebensjahr; b) der Edelknecht oder
Knappe vom 14.—18. Lebensjahre; c) der Ritter, meist erst vom 21. Lebens-
jahre an. Die Aufnahme in den Rirterstand erfolgte durch den Ritterschlag und
die Umgürtung mit dem Schwerte. In der Zeit der Kreuzzüge kamen auch die
Geschlechtsnamen und die Wappen auf.