16 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen.
ist nicht Sache der Staatslehre und Politik, sondern der phvsi-
kalischen und politischen Geographiet), die aber darum
in innigen Beziehungen zu den Staatswissenschaften stehen.
Betrachtet man das Gebiet seiner physikalischen Seite nach,
so begreift es sämtliehe Naturbedingungen des Staates mit Aus-
nalıme der physischen Ausstattung seiner Bewohner in sich. Also
Bodenbesehaffenheit, Fruchtbarkeit, Reichtum an Naturprodukten,
Größe,. Gestalt und Geschlossenheit des Territoriums, Lage an
der See oder im Binnenlande, Dasein von Wasserstraßen, geo-
graphische Breite, Klima usw. Alle diese Eigenschaften wirken
entweder. direkt oder durch ihren Einfluß auf den Menschen
zusammen, um auf die Organisation des Staates und Inhalt und
Grenzen seiner Tätigkeit EinfluB zu nehmen. Daß z.B. die
Größe des Staatsgebietes die Organisation des Staates mitbestimmt,
bedarf kaum näherer Ausführung. Der Stadtstaat und der
Flächenstaat mit weiten Bezirken sind zwei Grundtypen der
politischen Organisation geworden. Dem antıken und mittelalter-
lichen Stadtstaat, den kleinen Schweizer Kantonen ist die republi-
kaniseche Form angemessen, dem Landstaat größeren Umfangs
ist die Monarehie günstig, und erst die neueste Zeit hat große
demokratische Republiken aufzuweisen. Zentralisation und De-
zentralisation der Regierung und Verwaltung hängen mit von der
Größe des Staatsgebietes, von dem kontinuierlichen Zusammen-
hang seiner Teile, von der Trennung und Absehließung seiner
Glieder dureh Gebirge, von insularer Lage ab. Die Entwicklung
des englischen Staates mit seiner frühen Zentralisation war
wesentlich mit bedingt durch die verhältnismäßige Kleinheit seines
Gebictes, noch nieht doppelt so groß wıe Bavern, während das
gewaltige deutsche Reich schon bei dem unausgebildeten Ver-
kehrswesen des frühen Mittelalters politischer Übermacht seiner
Glieder Raum geben mußte. So ist die Gliederung der Ämter in
einem umfangreichen Staate ganz anders als in eihem kleinen;
so haben Dezentralisation der Verwaltung und Sondcerrechte kom-
munaler Verbände bei Bergvölkern so lange einen natürlichen
Boden, bis das moderne Verkehrswesen die einzelnen Täler unter-
einander und mit dem Zentrum in rasche Verbindung setzt; so
1) Letztere stellt nicht nur äußere, sondern auch sozialpsvcho-
logische Tatsachen fest, bietet daher ähnlich wie die Bevölkerungslehre
ein Beispiel für die Unzulässigkeit reinlicher Scheidung zwischen Natur-
und Geisteswissenschaften. "