Full text: Allgemeine Staatslehre

Viertes Kap. Bezieh. d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 77 
sind die Institutionen von Staaten mit Binnengrenzen ganz anders 
gestaltet als die der Inselstaaten. Manche Institute des englischen 
Staates sind von Grund aus nur als dem Recht eines Inselstaates 
angehörig in ihrer eigentümlichen Ausgestaltung zu verstehen. 
Wäre Großbritannien nicht durch Jahrhunderte von fremden In- 
vasionen verschont geblieben, so würde sein Heer und mit ıhın die 
ganze Stellung der Regierung einen anderen Charakter tragen. 
Die Naturbedingungen der Volkswirtschaft innerhalb eines Staates 
bestimmen in dauernder Weise die Kulturhöhe, die ein Volk 
erreichen kann, und damit seine eigene Leistungsfähigkeit, wie 
denn auch von ihnen die ganze innere und äußere Politik des 
Staates dauernd in wahrnehmbarer Weise bestimmt wird. 
Derartige Tatsachen haben dic hervorragenden Staats- 
theoretiker aller Zeiten gekannt und verwertet. Beı Plato und 
Aristoteles wie nicht minder bei Machiavelli, Bodin, Montesquieu 
und Hume finden sich eingehende Untersuchungen über den Ein- 
fluß der äußeren Natur auf Art und Schicksale der Staaten. 
Das 19. Jahrhundert hat im Zusammenhang mit dem groß- 
artıgen Aufschwung der Naturwissenschaft dem Naturelemente im 
Staate eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. So hat in popu- 
lärer und darum einflußreicher Weise Th. Buckle den Einfluß 
der Natur auf die Staatenbildung und das Staatenleben eingehend 
untersucht und überschätzt. Vorsichtiger haben sodann, den 
Spuren Karl Ritters folgend, Geographen und Anthropologen!) 
die Grundsteine zu einer besonderen Disziplin zu legen ver- 
sucht, deren Gegenstand die Untersuchung des Einflusses der 
Erdoberfläche auf die Menschenschicksale ist. Waren bis jetzt 
aber die allgemeinen Resultate solcher Forschungen, sofern sie 
nicht unerlaubte Generalisierungen darstellten, dürftig oder trivial, 
so werden auch die neuesten Versuche, die im Aufdecken kon- 
kreter Kausalreihen Hervorragendes geleistet haben, doch nur in 
wenigen Fällen zu allgemeinen Sätzen gelangen, die eine be- 
deutungsvolle Erweiterung unseres Wissens in sich schließen 2). 
—— 
1!) Vgl. Ratzel Anthropogeographie, 2. Aufl. I 1899, II 1912; 
kritische Bemerkungen über die hierhergehörige Literatur daselbst ] 
S.13ff. und bei Achelis Moderne Völkerkunde 1896 S. 70£f.; -Ratzel 
Politische Geographie 1897. 
?) Ein allgemeines Schema, unter welches die Wirkungen der Natur 
auf die Menschen gebracht werden können, bei Ratzel Anthropo- 
geographie I S.4Lff.
	        
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