Full text: Allgemeine Staatslehre

Viertes Kap. Bezieh. d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 107 
wesens erst auf bestimmter Wirtschaftsstufe möglich ist. Nur in 
den weiteren Sinne eines persönlichen Machtverbandes kann bei 
Nomaden, bei Jäger- und Hırtenvölkern von einem Staate ge- 
sprochen werden. Erst bei den Ackerbauern beginnt der voll- 
endete Staat, der mit einem festen Territorium ausgerüstet ist. 
Privateigentum an Grund und Boden entsteht, der nunmehr ver- 
wickeltere Produktionsprozeß scheidet Berufe, erzeugt Verhält- 
nisse der : Unfreiheit, und damit bildet sich eine komplizierte 
Rechtsordnung, die einer stetigen schützenden Macht bedarf. 
Nach außen nötigt das Interesse der Sicherung der wirtschaft- 
lichen Güter vor Feinden zur Ausbildung einer Wehrverfassung. 
Von der Art der Wirtschaft hängt sodann die Ausgestaltung 
einer großen Zahl staatlicher Institutionen ab. Der auf den 
Krieg und kriegerischen Raub angewiesene Staat wird seine 
Kräfte viel straffer konzentrieren, das Individuum in höherem 
Maße in den Dienst der Gesamtheit stellen, strengere Über- und 
Unterordnungsverhältnisse ausbilden ‚als ein von Nachbarn wenig 
bedrohter, durch Naturalwirtschaft den Bedarf seines Volkes 
deckender Ackerbaustaat. Nicht minder wirken auf höherer 
Kulturstufe Geld- und Kreditwirtschaft, der internationale Handel 
in seinen verschiedenen Formen auf die Gestaltung der wichtig- 
sten staatlichen Institutionen ein. Die großen Weltbegebenheiten, 
vor allem Kriege und innere Umwälzungen, sind mitbedingt von 
wirtschaftlichen Ursachen und haben, abgesehen von denen, die 
ausschließlich ökonomische Ziele verfolgen, neben ihrem Haupt- 
noch wirtschaftliche Nebenzwecke. Allgemeine geschichtsphilo- 
sophische oder soziologische Sätze über diese Zusammenhänge 
aufzustellen, ist in den meisten Fällen wenig ersprießlich, da es 
sich in der Regel um streng individualisierte Kausalreihen han- 
delt. Desto lehrreicher ist es, die konkreten staatlichen Bildungen 
auf die sie ausgestaltenden ökonomischen Kräfte zu prüfen. 
Auch die Verfassungsentwicklung ist durchgehend von wirt- 
schaftlichen Momenten mitbestimmt. In vielen Fällen liegt das 
klar zutage. So hat z. B. die Notwendigkeit, in einer Zeit der 
Naturalwirtschaft die Grafen mit Grundbesitz auszustatten, in 
Verbindung mit der ebenfalls durch ökonomische Verhältnisse 
bedingten eigentümlichen Ausgestaltung der Wehrverfassung im 
Frankenreiche den Grund zur späteren Feudalisierung der Ämter 
gelegt und damit den ganzen Lauf der mittelalterlichen Ge- 
‘schichte des öffentlichen Rechts in eigentümlicher Weise aus-
	        
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