Viertes Kap. Bezieh. d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 111
Staatsleistungen, wie schon ein flüchtiger Blick in einen Staats-
etat lehrt, ihre ökonomische Seite, so daß eine allseitige An-
schauung vom Staate ihn auch eingehend unter ‘ökonomischem
Gesichtspunkt betrachten muß.
Aber auch für die spezielle Erkenntnis der rechtlichen Seite
des Staates ist die ökonomische Betrachtungsweise von der höch-
sten Bedeutung. Da stets wirtschaftliche Momente die jeweilige
Ausgestaltung des Staates bedingen, so ist eine gründliche Er-
kenntnis des rechtlich Gewordenen und Seienden ohne ökono-
mische Grundlage nicht möglich. Namentlich für die Geschichte
des öffentlichen Rechtes ist dies zu beherzigen. Von der Ge-
schichte des Privatrechts ist es heute bereits von allen neueren
Forschern anerkannt, daß sie von der Wirtschaftsgeschichte. nicht
zu trennen ist; sind doch die Rechtshistoriker selbst deren be-
rufenste Förderer geworden.
Eine der wichtigsten Tatsachen für die Gesamterkenntnis des
Staates ist die, daß er selbst Wirtschaftssubjekt ist. Da-
mit erscheint er als höchstes Organ der Gemeinwirtschaft eines
Volkes, anderseits aber, namentlich in Beziehung auf andere
Staaten, als besondere gesellschaftliche Bildung. Sein Handeln
auf diesem Gebiete wird nur durch genaue Kenntnis der Volks-
wirtschaftslehre verständlich. Mit ihm beschäftigt sich die beson-
dere Disziplin der Staatswirtschaftslehre oder Fınanz-
wissenschaft, die aus Lehrsätzen besteht, welche der poli-
tischen Ökonomie, dem öffentlichen und Privatrecht und der
Finanzpolitik angehören. Dadurch erlangt diese Lehre eine
Doppelstellung, indem sie zugleich den Staats- und den Gesell-
schaftswissenschaften zuzuzählen ist. Jede lsolierung der in ihr
vereinigten verschiedenen Elemente würde nur zur Unklarheit
oder Inhaltsleere führen. Ein selbständiges Finanzrecht z. B.,
das nur den streng rechtlichen Inhalt der so verwickelten staats-
wirtschaftlichen Institute darstellte, müßte, sofern es nicht ein-
fach die bestehenden Gesetze kommentieren wollte, den größten
Teil des geistigen Gehaltes jener Institute sorgfältig hinausdestil-
lieren, um seinen ausschließlichen Zweck zu erfüllen. Ähnliches
gilt übrigens von der ganzen Lehre der einzelnen verwaltungs-
rechtlichen Einrichtungen.
7. Die Entwicklung der aus dem religiösen Leben sich
ergebenden gesellschaftlichen Bildungen sowie deren Einfluß auf
die Gestaltung der politischen Verhältnisse eingehend zu unter-