Full text: Allgemeine Staatslehre

Viertes Kap. Bezieh. d, Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften, 123 
So hat nicht zum geringsten die Herrschaft der nordiranzösischen 
Könige die einst so blühende provencalische Sprache schließlich 
auf die Rolle eines Dialektes herabgedrückt; so ist die kastilısche 
Sprache gegenüber der katalonischen seit der Einigung ‚Spaniens 
unter den kastilischen Monarchen die alleinige spanische, Schrift- 
sprache geworden, wie denn auch die hochdeutsche Sprache. die 
der Reichsbehörden ‚war. Gesonderte politische Entwicklung hat 
mitgewirkt, das Holländische von einem niederdeutschen Dialekt 
zu einer besonderen Sprache zu erheben. Die internationale Be- 
deutung und Ausbreitung einer Sprache ist mit der Staatsmacht 
aufs innigste verknüpft. Selbst auf die eigentümliche Ausbildung 
des Volkscharakters ist die Art des Staates von größtem Einfluß. 
Gewöhnung an Befehlen ‚und Gehorchen, Möglichkeit eines ziel- 
bewußten Handelns gemäß den gegebenen politischen Verhält- 
nissen, Vertrauen in die Einsicht. und Gerechtigkeit der Regie- 
rung, auf die Stetigkeit der staatlichen Entwicklung, und was 
die mannigfaltigen. staatlichen Verhältnisse sonst sein mögen, 
wirken auf die ganze Denk- und Handlungsweise der Menschen 
in höchstem Maße ein. Mit tiefdringendem Blicke hat das zuerst 
Plato erkannt, indem er den verschiedenen Staatsformen ver- 
schiedene Charaktere entsprechen läßt!). In dem Durchschnitts- 
charakter des. Deutschen, des Österreichers, des Russen usw. ist 
der Einfluß der spezifischen Ausgestaltung ihrer Staaten deutlich 
zu erkennen. 
Aus diesem Zusammenhang wird.auch der Gefühlswert des 
Staates und der staatlichen Institutionen zu erklären sein. Zu 
den nicht zu berechnenden Wirkungen des Staates gehört nicht 
zum geringsten die Erzeugung politischer Gemeingefühle seiner 
Glieder, die für seine Schicksale von der höchsten. Bedeutung sind. 
Vaterlandsliebe und Staatsgefühl sind die mächtigsten moralischen 
Garantien des Bestandes und Wachstums der Staaten. Grund- 
legende Institutionen, wie die.des Königtums, nehmen ihre Kraft 
viel weniger aus dem Buchstaben der Gesetze als aus gefühls- 
mäßigen, durch uraltes Herkommen gefestigten Überlieferungen. 
In den Beziehungen zu den anderen: Staaten entsteht ein Jas 
Volk beherrschendes politisches Ehrgefühl, das, von aller Re- 
flexıon unabhängig, ein den Gang der Geschichte in. gewaltiger 
Weise mitbestimmender Faktor ist. Selbst bei Staaten, die’ aus 
  
1) Rep. VIII 544 ff.
	        
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