Viertes Kap. Bezieh. d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 125
Absichten gemäß nur innerhalb enger Grenzen regeln. Zwar
kann er den Strom der sozialen Verhältnisse durch seine be-
wußte Tat um einige Fuß breit ablenken oder die Geschwindig-
keit seines Falles um einiges mehren oder mindern, das ihm
unbekannte Ziel jenes Stromes jedoch vermag er nicht zu be-
stimmen und nicht zu verrücken.
Damit stellt sich die soziale Betrachtungsweise des Staates
als notwendiges Korrektiv der juristischen dar. Die Rechtslehre
behauptet, daß der souveräne Staat jeder anderen organisierten
Gewalt überlegen, keiner untertan sei. Aber den gewaltigen
Mächten des sozialen Lebens, die nicht in der Form bewußter
Willensmacht wirken, ist der Herrscher selbst untertan. Möge
der Jurist sich daher hüten, seine Normenwelt, die das Staats-
leben beherrschen soll, mit diesem Leben selbst zu verwechseln.
All die formal-juristischen Vorstellungen von Staatsallmacht, die,
hypothetisch auligestellt, ihre gute Berechtigung haben, ver-
schwinden, wenn man von der Welt der juristischen Möglich-
keiten in die Wirklichkeit der Gesellschaft blickt. Da wogen die
historischen Kräfte, die das An-sich der Staaten bilden und zer-
stören, das jenseits aller juristischen Konstruktion besteht. Von
diesem An-sich gilt, was mit genialem Worte der vielverlästerte
deutsche Denker!) ausgesprochen hat: Für Werden, Sein und
Vergehen der Staaten gibt es kein anderes Forum als die Welt-
geschichte, die das Weltgericht bildet. Seine Normen sind aber
sicherlich nicht die des Juristen.
1) Vgl. Hegel a.a.0. S. 423£f.