Full text: Allgemeine Staatslehre

Fünftes Kapitel. 
Der Name des Staates. 
Die Geschichte der Terminologie einer Wissenschaft ist eng 
verknüpft mit der Geschichte der Wissenschaft selbst. Es be- 
steht eine ununterbrochene Wechselwirkung zwischen Wort und 
Sinn. Das Wort hat häufig der ganzen Wissenschaft eınes Volkes 
oder einer Epoche den Weg gewiesen. 
Den Griechen hieß der Staat nöAıc, war daher identisch 
mit der Stadt, einer der Hauptgründe, weshalb die griechische 
Staatswissenschaft sich auf dem Boden des Stadtstaates bewegte, 
den Land- oder Flächenstaat jedoch niemals zu erfassen ver- 
mochte. Wird von solchen Staaten gesprochen, so werden sie nur 
als Inbegriff der Bewohner bezeichnet (oi Aiyvnroı, of Lleooa:); 
irgendeine Bezeichnung jedoch, welche die Beziehung der Be- 
wohner zum Territorium zum Ausdruck brächte, hat niemals 
größere Bedeutung gewinnen könnent). Auch von der znödıs ist 
oft in gleicher Weise die Rede; die Athener, Thebaner, Korinther 
werden mit ihren Gemeinwesen völlig identifiziert. Objektiv, als 
Inbegriff des einem Volke Gemeinsamen, wird der Staat als 
to xomw6v bezeichnet. In all diesen Vorstellungen tritt das ding- 
liche Element weit hinter das personale zurück. Die Bürger- 
gemeinde ist identisch mit dem Staate. Daher wird auch die 
öffentliche Rechtsstellung der Individuen niemals bedingt durch 
Zugehörigkeit zum Lande, sondern stets nur durch Mitgliedschaft 
an der Bürgergemeinde oder durch ein Schutzverhältnis zu ihr. 
Auch die römische politische Terminologie weıst denselben 
Typus auf. Der Staat ist die civitas, die Gemeinde der Voll- 
bürger oder die res publica, das der Volksgemeinde Gemeinsame, 
  
1) Wohl findet sich x@oa als synonym mit zoÄıs oder bezeichnet 
das Landgebiet des Staates im Gegensatz zur Stadt; vgl. die Stellen bei 
Stephanus Thesaurus graecae linguae I. v., hat dann aber überwiegend 
die Bedeutung von regio, nicht von civitas. 
G. Jellinek, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 9
	        
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