Full text: Allgemeine Staatslehre

Fünftes Kapitel. Der Name des Staates, 131 
Landessprachen sich bedienende Staatswissenschaft erst im 
16. Jahrhundert hervortritt. ‘Außerdem haben die erwähnten 
Bezeichnungen nur auf größere Staaten Anwendung. In der 
lateinischen Literatur werden auch die altrömischen Termini ge- 
braucht, jedoch wird mit civitas in der Regel ein städtisches 
Gemeinwesen bezeichnet!). 
Im schärfsten Gegensatz zur antiken Auffassung steht die 
Bezeichnung des Staates als Land, terre, terra, die der mittel- 
alterlichen Terminologie geläufig ist. Indem sie den Schwerpunkt 
des Staates ın dessen territoriales Element legt, entspricht sie 
dem historischen Tatbestande der nunmehr weitaus überwiegenden 
Flächenstaaten und der Bedeutung, die Grund und Boden für die 
Entfaltung politischer Macht hatten?),. Obwohl für große und 
kleine Staaten anwendbar, fehlt diesem Terminus die volle Be- 
stimmtheit und Abgrenzung, weil er einerseits Stadtstaaten nicht 
mitumfaßt und anderseits auch nichtstaatliche Bildungen, Land- 
schaften und Provinzen, mit ihm bezeichnet wurden. Trotzdem 
hat dieser Terminus nicht alle Bedeutung verloren. In Deutsch- 
land ist offiziell von Landesgesetzen die Rede, und in der Wissen- 
schaft hat sich der Ausdruck „Landesstaatsrecht‘ für das Recht der 
Gliedstaaten eingebürgert. In der Bezeichnung „Landtag“ für die 
Kammern ist noch immer die Erinnerung an das alte Territorial- 
staatsrecht lebendig. Auch Ungarn bezeichnete bis 1887 die offizielle 
deutsche Ausgabe seiner Gesetze als Landesgesetzsammlung. 
Dem Bedürfnis nach einem allgemeinen, sämtliche staatliche 
Bildungen umfassenden modernen Worte wurde zuerst in Italien 
entsprochen. Für die mannigfaltigen italienischen Staaten waren 
weder die Bezeichnungen regno, imperio, terra passend, noch war 
citta vermögend, den staatlichen Charakter von Venedig, ‚Florenz, 
Genua, Pisa zu bezeichnen. Da wird denn aus dem vieldeutigen 
Wort stato, das zuerst mit dem Namen einer Stadt verbunden 
  
1) Vgl. auch Gierke Genossenschaftsrecht III S. 356. 
2) Für die mittelalterliche Auffassung im Gegensatz zur antiken ist 
es bedeutsam, daß „Stadt“, „Burg“ oder ‚Wik‘ territoriale, nicht 
personale Bezeichnungen der kommunalen Gemeinwesen sind, so daß 
auch das lateinische civitas im Mittelalter zu einem lokalen Begriff wird, 
aus deni erst civis abgeleitet wird, daher auch citoven, citadin, cıttadino, 
aitizen; Gierke Genossenschaftsrecht II S. 579ff. Doch ist demgegenüber 
auch daran zu erinnern, daß für den Griechen ebenfalls z04ıs der primäre, 
zoliıns der abgeleitete Begriff war. 
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