Full text: Allgemeine Staatslehre

138 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates, 
Wirken des Staates in der äußeren und inneren Welt wollen die 
hierhergehörigen Disziplinen erfassen. 
Die zweite hat zum Gegenstand die rechtliche Seite des 
Staates. Das Recht führt ein Doppelleben. Einmal als tatsäch- 
liche Rechtsübung, als welche es eine der sozialen Mächte ist, 
die das konkrete Kulturleben eines Volkes ausgestalten. Sodann 
aber als ein Inbegriff von Normen, der bestimmt ist, in Hand: 
lungen umgesetzt zu werden. Das Recht in diesem letzteren 
Sinne gehört nicht in das Gebiet des Seienden, sondern des Sein- 
sollenden, es besteht aus Begriffen und Sätzen, die nicht der Er- 
kenntnis des Gegebenen, sondern der Beurteilung der Wirklich- 
keit dienen. Durch juristische Normen wird daher kein reales 
Sein erkannt. Es ist nicht die Aufgabe der Jurisprudenz, das 
An-sich des Staates zu bestimmen, sondern vielmehr, das Ge- 
gebene zu bestimmten Zwecken unter feste Gesichtspunkte zu 
ordnen und es einer Beurteilung gemäß den abstrakten Normen 
des Rechts zu unterziehen. Die Rechtswissenschaft ist daher eine 
Normwissenschaft, ähnlich wie die Logik, die uns nicht lehrt, 
was die Dinge sind, sondern wıe sie gedacht werden müssen, 
um eine in sich widerspruchslose Erkenntnis hervorzurufen. 
Wenn auch die Wirklichkeit die Voraussetzung des Rechtes und 
der Boden ıst, auf dem es sıch fortwährend zu erproben hat, so 
ıst es selbst doch rein idealer Natur; der Rechtssatz als solcher 
führt stets nur eine gedankliche Existenz. Die auf Grund von 
Rechtssätzen gewonnenen Urteile gewähren daher nicht die Er- 
kenntnis einer Substanz, sondern einer Relation, sie lehren uns 
das Verhältnis des Seienden zur Norm erkennen. Recht und 
Unrecht sind niemals den Dingen selbst anhaftende Prädikate, 
sie sind nicht Eigenschaften, sondern Beziehungen. Daher ist 
dıe juristische Erkenntnis eines Objektes grundverschieden von 
der der realen Vorgänge, die an und in ihm stattfinden. Die 
juristische Erkenntnis des Staates hat zum Gegenstand die Er- 
kenntnis der vom Staat ausgehenden, seine Institutionen und 
Funktionen zu beherrschen bestimmten Rechtsnormen und das 
Verhältnis der realen staatlichen Vorgänge zu jenen rechtlichen 
Beurteilungsnormen. Die juristische Erkenntnisweise des Staates 
hat die soziale daher zu ergänzen, ist aber in keiner Weise mit 
ihr zu vermengen!). Ihre Methode ist ausschließlich die juri- 
  
1) Neuestens behauptet Edgar Loening, a.a.O. 8.694, daß es nur 
einen Rechtsbegriff des Staates geben könne, dabei den normativen
	        
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