Full text: Allgemeine Staatslehre

148 Zweites Buch. "Allgemeine Soziallehre des Staates. 
einander lebender Individucn als ein Individuum betrachtet, steht 
auf dem Boden der Realität! Überdies will die Herrschertheorie 
auch das Volk als Einheit behandeln — nur weiß sie nicht zu 
sagen, woher diese stammt. Wie schon bei Besprechung der Zu- 
standstheorie erwähnt wurde: wenn hunderttausend von einem 
beherrscht werden, so bleiben die hunderttausend dennoch ebenso 
viele voneinander geschiedene Individuen, deren Einheit vom 
realistischen Standpunkt stets „fingiert‘“ ist. Im Grunde ist der 
Realismus und Empirismus dieser Lehre nichts anderes als das 
populäre, von den modernen logischen, psvchologischen und 
erkenntnistheoretischen Forschungen unberührte Denken, welchen) 
das sinnlich Wahrnehmbare als das einzig wahrhaft Existierende 
erscheint, und das diesen Standpunkt, wie nicht anders möglıclhı, 
konsequent festzuhalten nicht in der Lage ıst!). 
4. Der Staat als natürlicher Organismus. 
Unter den zahlreichen Nuancen der organischen Staatslehre 
ist an dieser Stelle diejenige zu erwähnen, die den Staat als ein 
organisches Gebilde in physischem Sinne betrachtet, das unab- 
hängig von den Individuen sein eigenes von Naturgesetzen be- 
herrschtes Dasein führt?). Hierher zu zählen sınd auch die 
Lehren, welche zwar die geistig-sittliche Natur des Staates be- 
tonen, ıhm jedoch auch eine äußere Gestalt geben, die einem 
Naturorganismus gleicht. Namentlich die anthropomorphisiercn- 
den Theorien, die nach Platos Vorgang den Staat als Menschen 
im großen betrachten, gehören hierher). Die Exzesse, die der 
organischen Staatslehre vorgeworfen werden, entspringen sämt- 
lich dieser grob sinnlichen Auffassung des Organismus. Sie ist 
nicht gesondert, sondern im Zusammenhang mit der gesamten 
organischen Staatslehre kritisch zu untersuchen. 
B. Theorien vom überwiegenden subjektiven Sein 
des Staates. 
1. Der Staat als geistig-sittlicher Organismus. 
Daß der Staat ein Organismus sei, hat die Staatswissenschaft 
aller Zeiten behauptet. Im Altertum hat Plato den Staat als 
  
N, Vgl. auch G.Jellinek System der sub). öff. Rechte S.27f. 
°) Vgl. oben S. 141 Note l. 
3) Z2.B. Bluntschli Psychologische Studien über Staat und Kirche 
1844. Zahlreiche andere Autoren bei van Krieken Organ. Staats- 
theorie S. S1ff.
	        
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