170 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
Qualität, sondern ist, wie alle Rechtsbegriffe, seinem Wesen naclı
eine Relation. Der Mensch ist Rechtssubjekt, heißt, daß er in
bestimmten, vom Rechte normierten oder anerkannten Beziehungen
zur Rechtsordnung steht. Subjekt im Rechtssinne ist daher kein
Wesen, keine Substanz, sondern eine verliehene, durch. den Willen
der Rechtsordnung geschaffene Fähigkeit. Voraussetzung der
Rechtsfähigkeit ist zwar stets der Mensch, da alles Recht Be-
ziehung zwischen Menschen ıst. Allein mit nichten ist es irgendwie
durch die Logik gefordert, daß nur dem Einzelmenschen diese
Qualität zugeschrieben werde, dagegen jede Subjektivierung einer
Menschengesamtbheit, eines Kollektivums in das Gebiet der Fiktionen
gehöre. Hier hat vielmehr die juristische Erkenntnis anzuknüpfen
an die Ergebnisse der Erkenntnis des Staates als realer- Er-
scheinung. Ist der Staat ein Verband mit kollektiver Einheit,
ıst diese Einheit keine Fiktion, sondern eine unserem Bewußtsein
notwendige Form der Synthese, die wıe alle Tatsachen unseres
Bewußtseins unseren Institutionen zugrunde zu legen ıst, dann
sind solche Kollektiveinheiten nicht minder der Rechtssubjektivität
fähig als die menschlichen Individuen. Durch Erhebung einer
Kollektiveinheit zum Rechtssubjekt geht daher keine Fingierung
einer nicht existierenden Substanz vor sich, die nunmehr als das
Wesen proklamiert wird, an das die Rechtsordnung anknüpft.
theorie de la personnalit& morale I 1906 p. 265 ff.; Salleilles De la
personnalit& juridique 1910 p. 658£.; Hauriou Principes 1910 p. 100;
für Italien sei hingewiesen auf Orlando Principii p. 16, für England
auf Holland The Elements of Jurisprudence, il.ed. Oxford 1910
p. 124 ff, 365, 382f£., Brown in The Law Quarterly Review vol. 21 (1905)
p. 376ff. und The Juridical Review vol. 18 (1906) p.16; für die Nieder-
lande auf Krabbe Die Lehre der Rechtssouveränität 1906 S. 197 ££.;
für Belgien auf Delwaide La personnalit& de l’Etat 1906 p.3ff. In
Amerika pflegt der Staat als body politic definiert zu werden (so z.B.
Story Commentaries on the Constitution of the United States $ 207,
Cooley Constitutional Limitations 6.ed. p.3). Von einer „juristic
person“ spricht ausdrücklich D. J. Hill, World organization 1911 p.26 ff.,
36ff. Dort zwingen schon die Rechtsverhältnisse zwischen Union und
Einzelstaat, den Staat als Rechtssubjekt zu erfassen. Das Obergericht
der Union erklärte: „A State is a body of free persons, united together
for the common benefit, to enjoy peaceably what is their own, and to
do justice to others“ (vgl. Holland p.48). Vor allem aber ist es die
gesamte völkerrechtliche Literatur, die widerspruchslos den Staat als
Rechtssubjekt bezeichnet und ihn daher als Person definiert. Über die
Entwicklung der Persönlichkeitslehre vgl. die vorzüglichen Ausführungen
von Bernatzik a.a.0. S. 185ff.