Full text: Allgemeine Staatslehre

Siebentes Kapitel. Die Lehren von der Rechtfertigung des Staates. 199 
nichts. Indem sie die Gesamtheit der Untertanen für ewig un- 
mündig erklärt, hat sie auch nur den Beifall geistig Unmündiger 
gefunden. 
In ganz anderer Weise als Graswinckel und Filmer 
hat Hobbes den patriarchalischen Staat als eine der historisch 
möglichen Formen des natürlichen oder Gewaltstaates entwickelt 
und dessen Staatsgewalt. dieselbe absolute Stellung zugewiesen, 
die sie im Vertragsstaate besitzt!).. Hobbes führt aber die 
patriarchalische Herrschaft nicht auf das Elternrecht, sondern 
auf den Konsens zwischen Vater und Kind zurück?). Somit 
mündet diese Lehre in die Theorie vom Vertrage als Grund des 
Staates ein?). 
b) Die Patrimonialtheorie. Die Anschauung, daß die 
Eigentumsordnung der Staatsordnung zeitlich oder doch logisch 
vorangehe, war dem Altertum nicht fremd. Sie findet sich im 
zweiten Buche der platonischen Republik angedeutet, indem dort 
die Entstehung des Staates auf die Verbindung der verschiedenen 
wirtschaftlichen Beschäftigungen, auf die durch das Bedürfnis 
hervorgerufene Vereinigung der einzelnen Gattungen menschlicher 
Arbeit zurückgeführt wird. Sie wird in voller Klarheit von 
Cicero ausgesprochen, der in dem Schutz des Eigentums das 
Motiv der Staatenbildung findet?). In der neueren naturrecht- 
lichen Literatur bis hinab zu den sozialistischen Theorien der 
Gegenwart ist die Eigentumsordnung oftmals als wirkende Ur- 
sache und rechtlicher Grund der Staatsordnung aufgestellt wor- 
den. Allein eine direkte Ableitung des Staates aus Sätzen der 
angeblich vorstaatlichen ökonomischen Ordnung ist in systema- 
tischer Weise nirgends unternommen worden. Die germanische, 
durch das Feudalsystem gekräftigte Anschauung, daß der König 
Obereigentümer alles Bodens sei, läßt dem mittelalterlichen 
Denken die Fundierung des einzelnen Staates auf das Grund- 
eigentum gerechtfertigt erscheinen. In Deutschland tritt die große 
Bedeutung des Grundbesitzes für die Innehabung und Ausübung 
staatlicher Hoheitsrechte hinzu, um die Landeshoheit als Zubehör 
PER \ 
1) De cive IX 10, Leviathan XX. 
2) Leviathan 1.c.; Hobbes English Works, ed. by Molesworth, Ill 
1839 p. 186. 
3) Spuren der patriarchalischen Lehre bei Haller a.a.0.1 S. 515. 
*) Hanc enim ob causam maxime, ut sua tenerent, res publicae 
civitatesque constitutae sunt. De off. II 21,73.
	        
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