Full text: Allgemeine Staatslehre

200 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates, 
der Grundherrschaft erscheinen zu lassen. Bis gegen Ende des 
alten Reiches haben: Publizisten eine derartige Lehre vertreten), 
die aber nicht einmal die Grundlage der Reichsgewalt zu er- 
klären vermochte, da wohl die Landeshoheit, nicht aber die 
kaiserliche Gewalt de jure an Territorialbesitz geknüpft war. 
Sonst aber wird der Patrimonialstaat (so namentlich von Gro- 
tius)?) nur als eine der möglichen Erscheinungsformen des 
Staates betrachtet. 
Erst Haller hat der von ihm so energisch vertretenen 
Machttheorie eine Wendung gegeben, durch welche er zugleich 
als schroffster Vertreter des patrimonialen Gedankens erscheint. 
Die Macht, welche den letzten Grund des Staates bildet, manı- 
festiert sich als Eigentumsmacht, in der also der nähere Grund 
der Anerkennung des Staates liegt. Schöpfer der Staaten sind 
für Haller begüterte, mächtige und eben dadurch unabhängige 
Menschen .(Fürsten oder Korporationen), und sobald man hin- 
reichend. große, durchaus freie Ländereien, Reichtümer und die 
damit verbundene Macht erworben hat, so tritt man damit un- 
mittelbar in die Klasse der Fürsten ein. Die Fürsten und repu- 
blikanischen Kommunitäten herrschen aus eigenem Recht, d.h. 
kraft ihrer Freiheit und ihres Eigentums). Daran knüpft sich 
eine durchaus privatirechtliche Konstruktion sämtlicher staatlicher 
Verhältnisse. Haller sagt uns jedoch nicht, woher denn diese 
den „herrschaftlichen Dienstrerband‘“, namentlich aber jenes 
eigene Recht des Eigentümers schaffende Rechtsordnung stamme. 
Da sie nicht in der Staatsordnung begründet ist, so kann sie 
nur vorstaatlich sein, und damit befindet sich der erbitterte 
Gegner des Naturrechtes ganz auf dem Boden dieser von ihm 
sonst so gründlich bekämpften Lehre®). Darin liegt aber auch 
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1) Noch Biener, De natura et indole dominii in territoriis Ger 
maniae 1780 p.40ff., erklärt die superioritas territonalis als einen 
Bestandteil des Eigentums. Die Fürsten werden domini terrae genannt, 
ad dominium et superioritatem nati, domini hereditarii et naturales, p. 46. 
Über die patrimoniale Staatslehre in den letzten Jahrzehnten des alten 
Reiches vgl. die eingehende Untersuchung bei Preuß Gemeinde S. 327 ff. 
2) Grotius unterschied I 3,11; 116,3; 7,12 zwischen Patri- 
monial- und "Usufruktuarstaaten, welche ‚Kategorien von vielen Späteren, 
so von Pufendorf und Wolff, akzeptiert wurden. 
2) A:a.O. I S: 4731f., 512. 
*) Für.Haller ‚ist es gewiß, daß das Eigentum vor allen mensch- 
lichen Gesetzen bestanden hat, und es besteht noch häufig ohne dieselben
	        
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