202 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
Altertum hervor. Protagoras sieht den Ursprung. des Staates
in einem ddooileodar!), einem Sich-versammeln der Menschen,
und Plato läßt die Sophisten den Gedanken entwickeln, daß
durch freiwillige Übereinkunft die Menschen sich gegen das Un-
rechttun zu sichern beschlossen hätten?). Zu solcher Auffassung
mußten schließlich alle die gelangen, welche das Gerechte als
Resultat menschlicher Satzung ansahen, da ihnen der »öwos nur
als Ergebnis einer Vereinbarung der Volksgenossen erscheinen
konnte. Namentlich von den Epikuräern wird daraus die not-
wendige Konsequenz gezogen®). Gemäß ihrer mechanisch-atomi-
stischen Grundanschauung lassen sie den Staat entstehen durch
Vertrag der sozialen Atome, der ursprünglich unverbundenen
Individuen, zum Zweck der Sicherung vor gegenseitigen Be-
schädigungen. Aber nicht sowohl die griechischen als vielmehr
die jüdischen und römischen Vorstellungen haben auf das poli-
tische Denken des Mittelalters und der beginnenden neueren Zeit
den größten Einfluß gehabt*). Der Bund, den Gott mit seinem
Volke geschlossen), wird für die Lehre von der Entstehung des
Staates, die Vorgänge bei der Einsetzung Sauls als Königs®), der
Bund Davids mit den Stämmen Israels zu Hebron, der seiner
Salbung voranging?), für die Entstehung der Herrschaft im Staate
von vorbildlicher Bedeutung. Noch im 16. und 17. Jahrhundert
werden von diesem Fundamente aus die weitestgehenden und
1) Vgl. darüber Rehm Geschichte S.13ff.; dazu Kaerst, Zitschr.
f. Politik 11 1909 S. 509 ff., und Menzel, Ztschr. £. Politik III 1910 S. 2151.
2) Protag. 322, Rep. Il 359 A.
3) Vgl. Hildenbrand Geschichte u. System I S. 515ff. Nicht un-
wahrscheinlich ist es, daß Epikur auch diese Gedanken aus Demokrit
geschöpft habe, wie Gomperz, Griech. Denker I S. 317, vermutet.
*#) So z.B. für die ehedem politisch so bedeutsame Lehre vom
Tyrannenmord, vgl. Lossen Die Lehre vom Tyrannenmord in der christ-
lichen Zeit 1894.
5) So sind u.a. der Bund, den Josia und das Volk mit Jahwe
schließen, 2. Reg. XXIII 1—3, sowie der Bund, den Jojada, 2. Chron.
XXIII 16, mit dem Könige und dem Volke abschließt, daß sie des Herrn
Volk sein sollen, für die Rechtsanschauungen von Bedeutung geworden. —
Neuerdings wird der Bund Gottes mit dem jüdischen Volke für die Ge-
schichte des Völkerrechts verwertet von Cybichowski, Das antike
Völkerrecht 1907 S.20£.
6) 1. Sam. IX—XI.
?) 2.Sam. V 3; vgl. Gierke Genossenschaftsr. III S. 570.