Full text: Allgemeine Staatslehre

Siebentes Kapitel. Die Lehren von der Rechtfertigung des Staates. 209 
unverbundenen einzelnen die persona civilis, den Staat. Auf 
diese Weise begründet Hobbes den absoluten Staat, der nur 
ein herrschendes Organ (ein Individuum oder einen coetus) kennt, 
als die normale, vernünftige und daher schlechthin anzuerkennende 
Staatsform. Seine Lehre steht in schroffem Gegensatz zu jenen, 
welche den Herrscher selbst als Vertragspartei betrachten. Nicht 
der Herrscher, sondern nur die einzelnen untereinander schließen 
einen Vertrag. Wer sich gegen den Herrscher empört, bricht 
daher den mit den anderen eingegangenen Grundvertrag, den Jer 
Herrscher nicht verletzen kann, weil er ihn als Herrscher gar 
nicht abgeschlossen hat. Auch der natürliche Staat wird zu 
Recht bestehend nur dadurch, daß der Gewaltunterworfene seine 
Zustimmung zur Herrschaft über ihn gibt; auch diese Art des 
Staates wird daher durch die Vertragsidee gerechtfertigt!). 
Wie man sieht, ist die landläufige Ansicht, der scharfsinnige 
Denker habe mit seiner Lehre von der Staatengründung den 
historischen Werdegang des Staates zeichnen wollen, durchaus 
falsch?). Seine Lehre bedeutet vielmehr eine Rationalisierung des 
Vorganges der Staatengründung, der an keinen Ort und an keine 
  
sein Recht der Selbstregierung überträgt. Allein nach den eigentüm- 
lichen Vorstellungen des — nicht juristischh am allerwenigsten aber 
romanistisch geschulten — Hobbes wird durch eine, wenn auch von 
dem anderen akzeptierte translatio iuris kein Vertrag begründet, viel- 
mehr versteht er unter contractus und pactum nur zweiseitige Verträge 
(De cive 11 9,10). Entscheidend aber für die definitive Auffassung des 
Hobbes sind die neun Jahre nach dem Buch De cive folgenden Aus- 
führungen im Leviathan XVIII p. 161, wo er mit der höchsten Energie 
gegen jedes Vertragsverhältnis zwischen Herrscher und Untertan pro- 
testiert. Hier zieht Hobbes die wichtigste praktische Folgerung aus 
seinem System, der gegenüber mannigfaltige Unklarheiten und Wider- 
sprüche, denen ja selbst der schärfste Denker nicht entgeht, zurück- 
treten müssen. Schon Pufendorf, dem doch Hobbes gründlich be- 
kannt war, hat (De iure naturae et gentium VII 2 89), seiner Auf- 
fassung der Hobbesschen Lehre die erwähnte Stelle aus dem Leviathan 
zugrunde gelegt und demgemäß den staatsgründenden Vertrag des 
Hobbes für einen einheitlichen erklärt. Über eine ähnliche Konstruktion 
bei Leibniz: E.Ruck Die Leibnizsche Staatsidee 1909 S.63ff. 
1) Lev.XX p. 185ff. 
2) Sie findet sich neuestens noch bei Seeley, p.55; ferner bei 
Ludwig Stein, Soziale Frage S. 357, der allerdings meine Ausführungen 
erwähnt, ohne zu ihnen Stellung zu nehmen. 
G. Jellinek, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 14
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.