260 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
Mitteln arbeitende Tätigkeit gehen kann. Dazu gehören negativ
Abwehr von Störungen jeder Art, positiv aber Förderung,
welche gemäß der Natur des zu fördernden Gutes verschiedene
Formen anzunehmen vermag. Sie kann ausschließlich in dem:
Setzen der äußeren Bedingungen bestehen. Gesundheit, Wissen-
schaft, Kunst, Handel usw. kann der Staat nicht unmittelbar
erzeugen, d. h. er ist nicht imstande, die hierzu notwendige
individuelle Tätigkeit sich zuzueignen. Die spezifische Tätigkeit
des staatlich angestellten Arztes, des Professors, des Lehrers, des
Regierungsbaumeisters usw. ist und bleibt individuelle, vom.
Staate autorisierte Tat, sie ist niemals Inhalt staatlicher Organ-
tätigkeit, weil der Staat die eigentümliche Art dieser Tätigkeiten
zu bestimmen außerstande ist; er kann nur anordnen, daß sie
nach bestimmter Richtung wirken und gewisse Effekte hervorrufen
sollen, er kann das (Quantum, aber nicht das Quale der Leistung
anbefehlen. Auf anderen Gebieten jedoch kann er weitergehen.
Insofern es nämlich möglich ist, nicht nur (Quantität, sondern
auch (Qualität der Leistung durch äußere Mittel zu beherrschen,
wird er sie selbst, wenn das Solidarinteresse es erfordert, durch
seine Organe als seine Tat vornehmen lassen. Wissenschaftliche
Entdeckungen machen und Kunstwerke schaffen, liegt außerhalb
des möglichen staatlichen Machtbereiches; aber Briefe befördern,
Bahnzüge verkehren lassen, Versicherungsanstalten errichten usw.,
sind Funktionen, die durch solidarische Tat und durch äußere
Mittel in zweckmäßigster Weise versehen werden können!). Je
1) Diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung, um zu bestimmen,
an welchem Punkte die Tätigkeit staatlicher Organe aufhört, als indivi-
duelles Tun gewertet zu werden und auf den Staat als dessen Tat
projiziert wird. Was Laband, StR. I S.436 N,.1, gegen diese von mir
bereits System 1.A. S.213 (2. A. S. 224) angedeutete Unterscheidung ein-
wendet, ist unzutreffend, indem er von der irrigen Annahme ausgeht,
als ob ich in der angeführten Stelle von Aktionen des Staates gesprochen
hätte, die nicht zugleich Aktionen von Individuen wären. Laband
selbst findet alle Beamtentätigkeit innerlich gleichartig. Doch ist es ein
großer Unterschied, ob man die Amtstätigkeit ihrem ganzen Inhalte nach
als Staatstätigkeit bezeichnen kann oder nicht. Das richterliche Urteil hat
der Staat gefällt, die vom Minister ausgehende Ernennung der Staat voll-
zogen usw. Aber der Universitätslehrer trägt nicht königlich preußische
Mathematik oder großherzoglich badische Psychologie vor. Wer diese
und ähnliche Unterschiede für unerheblich erklärt, der verwischt wich-
tige, folgenreiche Gegensätze zugunsten eines unersprießlichen Formalis-
mus. Daß Personen, die dem Staate gegenüber verpflichtet sind, ihre