Full text: Allgemeine Staatslehre

278 Zweites Buch. Allgemeine Soziallchre des Staates. 
in der ebenfalls cine gemeinsame Organisation seit Maria Theresia 
die deutschen und böhmischen Erblande umschloß, die diese 
Territorien zu einer staatlichen Einheit zusammenfügte, ohne 
daß die Provinzialisierung beider Ländergruppen jemals aus- 
drücklich ausgesprochen worden wäre. 
Nur dieser Schöpfungsakt aber liegt außerhalb des Rechtes. 
Alle ihm vorausgehenden und nachfolgenden Akte sind in der 
heutigen Staatenwelt nach irgendeinem Rechte zu beurteilen. 
Die staatengründenden Personen sind stets einer Rechtsordnung 
unterworfen, an der gemessen ihre Handlungen, ehe die Gründung 
selbst erfolgt ist, entweder als rechtswidrig oder als rechtmäßig 
erscheinen. Darum teilen sich die Gründungsvorgänge in solche, 
die bestehende Rechte verletzen oder sie achten!). Das hat die 
wichtige Folge, daß dort, wo die Gründung unter Wahrung be- 
stehender Rechtsordnungen erfolgt ist, der neu entstandene Staat 
von den durch ihn in ihrem Rechtskreise berührten Staaten 
keiner besonderen Anerkennung bedarf, diese vielmehr als selbst- 
verständlich gilt, während im ersteren Falle ein besonderer Akt 
der Anerkennung von seiten der verletzten Staaten notwendig 
ist, mag nun eine völkerrechtliche Verpflichtung zu dieser An- 
erkennung gegeben sein oder nicht, und mag sie ausdrücklich 
oder stillschweigend erfolgen. 
Eine staatliche Neubildung ist dann vollendet, wenn alle 
wesentlichen Stücke eines Staates im gegebenen Falle unzweifel- 
haft faktisch vorhanden sind und sich das so gebildete Gemein- 
wesen staatlich zu betätigen in der Lage ist. Das ist aber der 
Fall, wenn seine Organe tatsächlich Herrschaft üben, ihnen tat- 
sächlich Gehorsam gezollt wird. An dieses Faktum knüpft aber 
sofort wieder das Recht an. Einmal nach außen, indem der 
neugebildete Staat in die Staatengemeinschaft eintritt und damit, 
da er doch mit den anderen verkehren muß, das Völkerrecht 
in der Lage, wie es sich im Augenblick der Staatsschöpfung be- 
findet, als für sich verbindlich anerkennt. Damit nimmt er vor 
allem sofort die aus der völkerrechtlich geordneten?) Staaten- 
  
1) Das ist zutreffend hervorgehoben von Laband I S.35f. _-- 
2) Oder vielmehr nicht geordneten. Wenige Punkte des Völkerrechts 
dürften so wenig geklärt sein wie die Lehre von der Staatensukzession. 
Über die verschiedenen Theorien vgl. jetzt Max Huber Die Staaten- 
sukzession 1898 S.8ff. Die eigene organologische Lösung, die Huber, 
S.27ff,, dem Problem gibt, unterliegt auch wesentlichen Bedenken.
	        
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