292 Zweites Buch, Allgemeine Soziallehre des Staates.
schauungen für die Unterstützung demokratischer Ansprüche
später geworden sind, ist bereits oben angedeutet worden.
Trotzdem aber weicht die Gestaltung der israelitischen
Monarchie keineswegs von dem herkömmlichen Typus des Orients
ab. Von irgendeiner geordneten Teilnahme des Volkes an der
Regierung ist keine Rede, wenn auch manchmal König und Volk
gegenseitig bindende Verpflichtungen in der Form von Verein-
barungen vor Jahwe eingingen.
Die gegensätzlichen Elemente, die in diesem Staatswesen
zum Ausdruek kommen, offenbaren sieh in den entgegengesetzten
Wirkungen, die von ihnen ausgehen. Dualistische Gestaltung der
Herrschergewalt und deren Zusammenfassung in einer starken
Hand, Volksfreiheit, die das Königtum verwirft oder es sich
unterordnet, absolute, von Gott eingesetzte Fürstenmaeht, die zwar
religiöse, aber nicht rechtliche Schranken anerkennt, sie haben
sich alle zur Unterstützung ihrer Ansprüche auf das Alte Testament
berufen, das dadureh eine höchst bedeutsame Rolle ın der Ge-
schiehte der politischen Theorien gespielt hat.
2, Der hellenische Staat.
Die Charakteristik des hellenisehen Staates, der lange von
vielen fälschlich mit dem antiken Staate überhaupt identifiziert
wurde, als wenn dem römischen Staatswesen durehweg der gleiche
Typus zugrunde gelegen hätte wie dem griechischen, hat in der
modernen Literatur einen feststehenden Inhalt gewonnen. Als
hervorragendstes Merkmal des griechischen Staates wird angeführt
seine Omnipotenz, die Rechtlosigkeit des Individuums gegenüber
dem Staate: das Individuum gehe im Staate auf, sei nur des
Staates wegen da. Die antike Freiheit bestehe nur darin, daß
der einzelne ämterfähig sei und Anteil habe an der Bildung des
allmächtigen Gesetzes, welches aber, das Individuum allseitig be-
herrschend, diesem keine Sphäre staatsfreier Betätigung gestatte,
die dem modernen Menschen als die wichtigste Seite des Freiheits-
begriffes ‘erscheint. Demgemäß habe der sozialistische Gedanke,
für den der einzelne nur als Glied eines höheren Ganzen in
Betracht kommt, im griechischen Staate, wenigstens für die Voll-
bürger, seinen reinsten und höchsten Ausdruek gefunden. Im
Gegensatz zu ihm habe erst der moderne Staat das Individuum
als scelbstbereehtigte Macht anerkannt und sich selbst in den
Dienst der Entwicklung der individuellen Person gestellt.