Full text: Allgemeine Staatslehre

296 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
ind&pendant dans sa vie privee, n'est, meme dans les Etats les 
plus libres, souverain qu’en apparence.‘t) 
In Deutschland findet sich eine ähnliche Auffassung zuerst 
bei Tittmann?), dem Cucumus?), Platner®) und Voll: 
graffs) folgen; sodann aber stellt, auf Plato und den sparta- 
nischen Staat gestützt, Stahl*) die Lehre auf, daß den. Griechen 
der Gedanke des selbstberechtigten Individuums gemangelt habe. 
Eine ähnliche Theorie wird von K.F.Hermann seinen Unter- 
suchungen über den griechischen Staat zugrunde gelegt’). Sonst 
aber weiß von ihr die deutsche Staatslehre noch geraume Zeit 
nichts. Die politischen Schriftsteller der dreißiger und vierziger 
Jabre, wie Schmitthenner®) und Dahlmann?°), zeichnen 
die einzelnen antiken Staatsformen, ohne unserer Frage irgend- 
wie nahezutreten. Erst bei dem bedeutendsten wissenschaftlichen 
Vertreter des neueren deutschen Liberalismus finden wir die 
Antithese wieder, und zwar in noch schrofferer Formulierung 
als bei Constant. R. v. Mohl erklärt nämlich in seiner 
Enzyklopädie der Staatswissenschaften: „Bei den Alten dient 
der einzelne dem Staate und findet in dessen Wohl mittelbar 
auch die Befriedigung seiner Zwecke; bei den Neuen ist der 
Staat für alle einzelnen da, und er findet seinen Ruhm in dem 
Wohle der Bürger. Dort besteht die Freiheit ın der Teilnahme 
1) p. 842. 
2) Darstellung der griechischen Staatsverfassungen 1822 S.15, noch 
vorsichtig: „In den neueren Zeiten hat der Staat mehr die Sicherheit 
des einzelnen zum Zwecke, als der Fall war bei den Griechen, deren 
Streben mehr auf die Sicherung des Ganzen, der Verfassung, der Gleich- 
heit ging.“ 
3) Über den Staat und die Gesetze des Altertums 1824 S. 18. 
4) Der Prozeß und die Klagen bei den Attikern I 1824 S. 1Lf£f. 
5) Antike Politik 1828 S.69 ff. 
6) Zuerst Philosophie des Rechtes I 1. Aufl. 1830 S.43ff. Stahl 
leugnet auf Grund der in den Mythen sich äußernden Volksanschauung 
und der Platonischen Lehre, daß den Griechen überhaupt der Begriff 
des subjektiven Rechts bekannt gewesen sei, geht also viel radikaler 
vor als die sich eingehend ex professo mit den griechischen Staats- 
und Rechtsaltertümern beschäftigenden Schriftsteller vor ihm. 
7) Griechische Staatsaltertümer (zuerst 1831) 5. Aufl. 2. Ausg. 1884 
551 S.218ff.,, ebenfalls viel vorsichtiger als Stahl. 
°) Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechtes 1845 
5. 42 ff. 
9) Politik S. 21 ff.
	        
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