Full text: Allgemeine Staatslehre

Zehntes Kapitel. Die geschichtlichen Haupttypen des Staates. 313 
ist der römische Staat von Anfang an eine durchgängige innere 
Einheit; jede Spaltung des Gemeinwesens in mehrere mit gleich 
ursprünglicher Herrschaft begabte Teile ist und bleibt völlig 
ausgeschlossen. Darum ist in jeder Epoche der Gedanke lebendig, 
daß bei aller Vielheit der Organe doch nur in einem einzigen 
die Machtfülle des Staates, das imperium, die maiestas vorhanden 
sei, alle anderen aber nur abgeleitetes Recht besitzen. Als der 
Princeps an die Spitze des Staates tritt, da wird seine Macht- 
stellung vermittelt durch den Gedanken, daß ihm durch die lex 
regia des Volkes ursprüngliches Recht übertragen sei und er 
demnach schließlich das ganze Volk in seiner Person repräsentiere. 
In der abendländischen Welt ist Macht und Umfang der Staats- 
gewalt zum ersten Male im römischen Weltreiche in einer Person 
derart verkörpert worden, daß alle Konzentrierung der Fürsten- 
gewalt in späterer Zeit von dem römischen Urbilde beeinflußt 
worden ist. Wo immer in der späteren Zeit Staaten festgefügt 
wurden, hat die niemals ersterbende römische Idee des Imperiums 
an der Vollendung des Baues mitgewirkt. Römische Vorstellungen 
sind durch die Glossatoren und Legisten schon im späteren 
Mittelalter wirkende politische Mächte geworden, und die Re- 
naissance hat den römischen Staatsgedanken zum Vorbild für 
den modernen. erhoben. Nicht in der Form des hellenischen, 
sondern in der des römischen Staates hat der antıke Staat un- 
mittelbar politisch auf ‘die moderne Staatenwelt gewirkt. 
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem griechischen und 
römischen Kulturkreis lag aber in der Stellung des Hausvaters 
zu seiner Familie. Die römische Familie beruhte auf dem Ge- 
danken strengster herrschaftlicher Organisation. Der paterfamilias 
hatte lebenslängliche politische Gewalt über die Seinen, während 
die griechische Familiengewalt gesetzlich geregelt, im Interesse 
der Gewaltunterworfenen eingeschränkt war und bei den Söhnen 
mit dem Zeitpunkte der Mündigkeit ihr Ende erreichtet). Damit 
aber ist die Stellung des römischen Hausvaters zur Staatsgewalt 
von vornherein eine ganz andere als die des Griechen. Der 
Römer hat selbständige, vom 'Staate nicht abgeleitete und nicht 
einmal von ihm kontrollierte Herrschergewalt, die einer Staats- 
gewalt gleicht. Von einer kleinen Monarchie unterschied sich, an 
unseren Begriffen gemessen, die römische Familie nur dadurch, 
  
1) Busolt S.19ff.
	        
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