Full text: Allgemeine Staatslehre

Zehntes Kapitel. Die geschichtlichen Haupttypen des Staates. 319 
königlichen Obereigentum steht auf mannigfache Weise be- 
gründetes Privateigentum als der königlichen Verfügungsgewalt 
unantastbar gegenüber. Das germanische Königtum wird daher 
als eingeschränkte Macht geboren. Damit ist aber von vorn- 
herein ein Dualismus zwischen Königsrecht und: Volks- 
recht gesetzt, den das Mittelalter niemals überwunden hat. Der 
mittelalterliche Staat ist dualistisch geartet, während der 
antike Staat seinem innersten Wesen nach monistisch war 
und geblieben ist. 
Dieser Dualismus zeigt sich vor allem darin, daß Königs- 
recht und Volksrecht der Anschauung jener Zeiten als gleich 
ursprünglich erscheinen. Dem monistischen politischen Denken 
der Römer war die Ableitung der Gewalt des princeps aus einer 
Konzession des populus natürlich. Jede derartige Konstruktion 
widerstrebt aber der ursprünglichen germanischen Rechtsanschau- 
ung, der das Königsrecht ebenso wie das Privatrecht des 
einzelnen als selbständig erschien. Erst die romanıstisch-kano- 
nistische Theorie des Mittelalters hat vermittelst Gedanken, die 
dem germanischen Wesen anfänglich fremd waren, das Volk 
entweder in die es repräsentierende Person des Königs verlegt 
oder das Königsrecht als ein Erzeugnis des Volksrechtes hin- 
gestellt. 
Der bereits in der ursprünglichen Anlage des germanischen 
Staates begründete Dualismus kommt aber zu immer schärfer 
werdendem Ausdruck mit der fortschreitenden Feudalisierung. 
Der germanische Staat ist niemals Depositar der ganzen öffent- 
lichen Gewalt gewesen!). Das Volksgericht wird selbst späterhin 
von der sich ausbreitenden Staatsgewalt zwar beschränkt, aber 
nicht vernichtet. Die Hofgerichte der Grundherren ruhen auf 
deren eigenem Recht, so wie die kirchliche Gerichtsbarkeit vom 
Staate zwar anerkannt oder beschränkt, aber nicht geschaffen 
werden kann. Durch die Feudalisierung der königlichen Ämter 
und die spätere Fortbildung der Immunitäten entstehen im Staate 
neue, vom Staate immer mehr unabhängig werdende Gewalten 
öffentlicher Art. Soweit die römische Munizipalverfassung reicht, 
ist auch den Städten von Haus aus eine weitgehende, in Italien 
bis zu völliger Unabhängigkeit reichende politische Selbständig- 
  
1) Gegen die neuerdings wieder aufgetauchten übertriebenen Vor- 
stellungen von dem Absolutismus der Merowinger: Brunner 11 S!If.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.