324 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
zwischen Staat und Kirche in katholischen Ländern nunmehr
nie die Höhe erreichen kann wie im Mittelalter.
So ist es denn das wichtigere Ziel der ersten Jahrhunderte
der neueren Geschichte, den fürstlich-ständischen Dualismus gänz-
lich zu überwinden. Sobald die Gesamtheit der veränderten wirt-
schaftlichen und militärischen Verhältnisse eine Konzentration der
fürstlichen Gewalt zuläßt oder erfordert, ist das Bestreben, den
Schwerpunkt des Staates in den Fürsten zu verlegen, von selbst
gegeben. Damit ist die innere Geschichte der modernen Staaten
lange Zeit von Kämpfen um die Stellung der fürstlichen zur
ständischen Gewalt erfüllt. In diesem Kampfe werden eine Reihe
von Möglichkeiten verwirklicht. Das ständische Corpus gliedert
sich dem Staate ein, wird ein aktives Organ des einheitlichen
Staates wie in England, die Stände mediatisieren das Königtum
und führen damit eine aristokratische Herrschaft mit einem
Scheinmonarchen an der Spitze ein, wie im Deutschen Reiche,
in Polen und zeitweilig in Schweden, oder der Monarchie gelingt
es, die Stände zu beugen, zu einem wesenlosen Schatten herab-
zudrücken oder gänzlich zu vernichten, wie in Frankreich, in
Spanien, in Dänemark und nach dem Dreißigjährigen Kriege in
der Mehrzahl der deutschen Territorien, oder es wird endlich
eine anerkannte Vorherrschaft der Krone über die Stände be-
gründet, wie in Ungarn seit 1687.
Von großer Bedeutung ist namentlich die Lösung im ab-
solutistischen Sinne gewesen, indem die absolut gewordene Mon-
archie zuerst unter den großen westlichen Staaten der nach-
römischen Zeit die Idee der Staatseinheit verwirklicht hat. Sie
hat voneinander ursprünglich unabhängige Gebiete zu innerer
Einheit verbunden, ein einheitliches, von dem Zufall der
Lehnstreue unabhängiges Heerwesen geschaffen, ein staatliches
Beamtentum hergestellt, die Justiz in vollem Umfange dem Staate
gewonnen oder doch die Rechte feudaler Gerichtsgewalt unter
ihre Aufsicht gestellt, die ständische Verwaltung von ihrer ko-
ordinierten zu einer strenge untergeordneten Stellung herab-
gedrückt. Durch Zerreibung der feudalen Gewalten hat sie un-
beabsichtigt den großen Nivellierungsprozeß vollzogen, der die
vielfach abgestufte ständische Gesellschaft in die staatsbürger-
liche, auf dem Boden grundsätzlich gleicher Rechtsfähigkeit
stehende hinübergeführt hat. In Spanien und Frankreich wie
ın Brandenburg-Preußen und der habsburgischen Monarchie ist