Full text: Allgemeine Staatslehre

Zehntes Kapitel. Die geschichtlichen Haupttypen des Staates. 325 
also der Gedanke des einheitlichen, keine inneren Spaltungen 
aufweisenden, unteilbaren Staates von den absoluten Herrschern 
seiner Verwirklichung zugeführt worden. Auch das in so vielen 
Stücken hinter dem Westen zurückstehende Rußland hat die 
scharfe Ausprägung seiner Staatseinheit dem Absolutismus der 
Romanows zu danken. Wo die konzentrierte, nach absoluter Ge- 
walt strebende Herrschaft gar nicht vorhanden war, da ist auch 
die Staatseinheit nicht erreicht worden, sondern Zerfall des 
Staates eingetreten, wie in Deutschland und Polen, oder an Stelle 
des Staatsverbandes nur ein Bundesverhältinis entstanden, wie 
in der Schweiz und den Niederlanden. 
Die Ausbildung der absoluten Monarchie in den kontinentalen 
Staaten eingehend zu verfolgen, ist schon deshalb von höchster 
Bedeutung, weil sie uns lehrt, wie die größten geschichtlichen 
Resultate unbeabsichtigte Nebenwirkungen zweckbewußter Hand- 
lungen sein können. Den einheitlichen Staat aus dem losen Ge- 
füge feudal-ständischer Verbände herzustellen, war keineswegs 
die ursprüngliche Absicht der Fürsten. Sie fühlten sich vielmehr 
anfangs wesentlich als eine außerhalb des werdenden einheitlichen 
Staates stehende Macht, über den als Herr zu walten sie sich 
als Aufgabe setzten. So ward ein neuer Dualismus zwischen dem 
Herrscher einerseits und Land und Leuten anderseits geschaffen. 
Vollendet wird der Ausbau des modernen Staatswesens durch 
die großen Wandlungen, die sich infolge revolutionärer Erschütte- 
rungen innerhalb der Staaten, des Auseinanderfallens früher zur 
Einheit verbundener Völker in mehrere Staaten und wiederum 
des Zusammenschlusses getrennter, aber zusammengehörender 
Staaten zu politischer Einheit vollziehen. Die englischen Re- 
volutionen des 17., die amerikanische und französische des 18., 
der Zusammenbruch des alten Reiches am Beginn des 19. Jahr- 
hunderts, die Bewegung des Jahres 1848, die Herstellung der 
italienischen und der deutschen Einheit, um nur die allergrößten 
Ereignisse zu nennen, die den inneren Bau der Staaten um- 
gestaltet haben, sie alle haben neben zahllosen anderen Wir- 
kungen auch die der klareren, unzweideutigeren Ausgestaltung 
der Staatseinheit in allen Institutionen und der schärferen, jeden 
Zweifel beseitigenden Ausprägung des körperschaftlichen Cha- 
rakters des Staates gehabt. Das letztere ist erst durch die Her- 
stellung jener Einheit möglich geworden. Erst durch sie ist die 
Ausbildung des Staates als eines gegliederten Gemeinwesens
	        
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