Full text: Allgemeine Staatslehre

8 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen. 
Staaten der alten Zeit kein Ansatz zu finden ist. Daher hat der 
Staat selbst im Laufe der Zeiten sein Wesen in bestimmten 
Punkten geändert zum Unterschiede von den natürlichen Dingen, 
die entweder unveränderlich bleiben oder ım rhythmischen 
Wechsel wiederkehren oder in erkennbarer, von festen Gesetzen 
beherrschter Weise einer auf- oder absteigenden Umbildung unter- 
liegen. Das Nähere über diese für die methodische Forschung 
auf sozialwissenschaftlichem Gebiete grundlegende Erkenntnis 
wird später ausgeführt werden, wie auch eine Darlegung der 
Schranken kausaler Erkenntnis in den Sozialwissenschaften ge- 
sonderter, eingehender Untersuchung bedarf. 
In den Sozialwissenschaften müssen schon aus dem eben an- 
gegebenen Grunde Beschreibung und Erklärung oft ineinander 
übergehen. Wer z. B. die wechselnde Bahn beschreibt, die eine 
soziale Erscheinung im Laufe der Geschichte durchmißt, auf der 
sie ihr inneres Wesen fortwährend ändert, der erklärt zugleich 
den Zusammenhang ihrer einzelnen Phasen, wenn er nicht in 
ganz unwissenschaftlicher Weise am Äußeren haften bleiben will. 
Wenn daher im folgenden die einzelnen Disziplinen der Staats- 
wissenschaften aufgezählt werden sollen, so ist bei aller durch 
das Bedürfnis der Orientierung gebotenen begrifflichen Scheidung 
doch ebenso zu betonen, daß der in der Natur der Objekte be- 
gründete Zusammenhang der verschiedenen wissenschaftlichen 
Positionen keine völlige, mit scharfen Linien zu zeichnende Be- 
grenzung des einzelnen Wıssenszweiges duldet. 
Die beschreibende Grundlage aller Sozialwissenschaften, also 
auch der Staatswissenschaften, ist die Geschichte, welche die 
sozialen Tatsachen in ihrem historischen Verlaufe fest- und Jar- 
stellt sowie deren äußere und innere Verknüpfung nachweist!). 
Vornehmlich ist es die politische Geschichte, die von der. 
Staaten Werden, Schicksalen und Vergehen berichtet, die für die 
staatswissenschaftliche Forschung in Betracht kommt. Aber auch 
  
1) Die Geschichte stellt nicht bloß Tatsachen, sondern auch die Zu- 
sammenhänge der Tatsachen dar. Von den theoretischen Wissenschaften 
unterscheidet sie sich aber dadurch, daß sie stets konkrete Kausalreihen 
erforscht, niemals abstrakte Typen und Gesetze. Unternimmt der Historiker 
solches, so überschreitet er die Grenzen seines Gebietes und wird zum 
Geschichtsphilosophen oder Soziologen. Solch höherer Geschichtsauf- 
fassung wird allerdings kein Historiker gänzlich entraten können, gibt es 
doch keine Einzelwissenschaft, die ihren Vertretern Selbstgenügsamkeit 
bieten könnte.
	        
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