Full text: Allgemeine Staatslehre

384 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Um das System des Öffentlichen Rechtes zu begreifen, ist 
zuvörderst das Wesen des Privatrechtes und sein Gegensatz zum 
öffentlichen zu erörtern. 
Der Gegensatz von Privat- und öffentlichem Recht kann auf 
den Grundgedanken zurückgeführt werden, daß im Privatrecht 
die einzelnen als grundsätzlich Nebengeordnete einander gegen- 
überstehen, es daher die Beziehungen der einzelnen als solcher 
ordnet, während das öffentliche Recht Verhältnisse zwischen 
verschiedenen Herrschaftssubjekten oder die Organisation und 
Funktion der Herrschaftssubjekte und deren Beziehungen zu den 
der Herrschaft Unterworfenen regelt!). 
Dieser Gegensatz ist aber kein absoluter. Beim Privatrecht 
tritt die Beziehung des Individuums zu einem anderen Indivi- 
duum derart augenfällig hervor, daB der Gedanke nahe liegt, 
darin sein Wesen erschöpft zu sehen. Allein eingehendere Be- 
trachtung ergibt, daß nicht das abstrakte, von allen sozialen 
Beziehungen isolierte Individuum Träger der Privatrechte ist, 
sondern das Gesellschaftsmitglied, das vom Staate als Persön- 
lichkeit anerkannt ist. Alles Privatrecht ist daher Sozialrecht. 
Damit sind die Versuche, zwischen Privat- und öffentlichem 
Recht ein Sozialrecht als selbständigen Rechtsteil einzuschieben 
oder das öffentliche Recht dem Sozialrecht unterzuordnen, zurück- 
gewiesen?). Es kann sich bei dem einzelnen Rechtsverhältnis 
nur darum handeln, ob das individuelle oder soziale Interesse 
bei seiner Normierung durch das objektive Recht überwogen wird. 
Auch alle sozialen und daher auch die staatlichen Interessen 
lassen sich von individuellen gänzlich losgelöst nicht denken. 
Alle soziale und staatliche Tat kommt schließlich Individuen 
zugute oder soll dies wenigstens tun. 
  
wegs mit unserem Begriff des Staatsrechts deckt. Die Vorstellung eines 
ausgeprägten „public law“ ıst in den englischen Gedankenkreis erst in 
neuester Zeit vom Kontinent her eingedrungen, obwohl bereits Bacon, 
Works ed. Spedding I p. 804, VII p. 731f., die römische Vorstellung vom 
ius publicum vertieft hat und auch Blackstone (vgl. oben S.167 N.1) 
die Rechtsverhältnisse in öffentliche und private scheidet. 
1) Vgl. zum folgenden auch G. Jellinek System der subj. öffentl. 
Rechte Kap. IV u. ff. 
2) Die diesen Gedanken ausführende Literatur angeführt Svstem 
Ss.92 N.1. Die Idee eines das Staatsrecht in sich befassenden Ge- 
sellschaftsrechtes ist bereits bei naturrechtlichen Schriftstellern zu finden. 
So z.B. bei Höpfner Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesell- 
schaften und der Völker 2. Aufl. 1783 S. 124 ff.
	        
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