Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwölftes Kapitel. Die Gliederung des öffentlichen Rechtes. 389 
Gegenstand einer gemäß dem Prinzip der Zweckmäßigkeit, nicht 
dem des Rechtes forschenden Untersuchung. Mit der Ausbildung 
der Gesetzgebung auf dem Gebiete der Verwaltung seit Ein- 
führung der konstitutionellen Verfassungen, namentlich aber seit 
der Schaffung geregelter Rechtskontrollen der Verwaltung, ist der 
Rechischarakter und damit dıe rechtliche Betrachtungsweise dieser 
staatlichen Tätigkeit energisch hervorgetreten. Nach dem Vor- 
bilde Frankreichs hat sich entsprechend dem ‚droit administratif“ 
auch in Deutschland seit R. v. Mohl die Disziplin des Ver- 
waltungsrechtes ausgebildet, die aber erst seit den sechziger 
Jahren des 19. Jahrhunderts eingehende Pflege erfahren hat!). 
  
1) Schon die letzten Reichspublizisten Gönner und Leist haben 
das Verwaltungsrecht als ‚Regierungsrecht‘ dem ‚Konstitutionsrecht‘ 
gegenübergestellt: Spiegel Die Verwaltungsrechtswissenschaft 1909 
S.25 N. 45; N. Th. Gönner Teutsch. StR, 1804 $8 44 ff, 273£f.; 
J. Chr. Leist Lehrbuch d. teutsch. StR. 2. Aufl. 1805 S8$14ff.,98 fl. Die 
Einteilung des Staatsrechts ın „Verfassungsrecht“ und „Verwaltungsrecht“ 
findet sich auch bei Klüber Öff. R.d. teutschen Bundes $$ 5, 97 (98). 
Allein Regierungs- oder Verwaltungsrecht bedeutet hier, modern ge- 
sprochen, Lehre von den Funktionen des Staats, umfaßt also das Recht 
der Gesetzgebung mit (Gönner $$8 287ff,, Leist $$ 105ff, Klüber 
s$ 100), während erst Mohl die Aufgabe der Verwaltung in der ,„An- 
wendung der durch die Verfassung bestimmten Grundsätze auf 
die einzelnen Fälle“ erblickt: StR. d. Kgr. Württemberg 1. A. II 
1831 S.4. — Die deutsche Wissenschaft hat auf die italienische ver- 
waltungsrechtliche Literatur bedeutenden Einfluß genommen, wie nament- 
lich das große, noch unvollendete Sammelwerk von Orlando, Primo 
trattato completo di diritto amministrativo italiano, beweist. Unter 
deutschem Einfluß bricht sich aber auch die Erkenntnis der Existenz 
eines Verwaltungsrechtes in den angelsächsischen Staaten Bahn, und zwar 
von Amerika ausgehend, dessen Jurisprudenz in theoretischer Hinsicht 
hoch über der englischen steht. Gegen die Behauptung von Dicey, 
Introduction to the Study of the Law of the Constitution, 6. ed., London 
1902, p. 322, daß es ın den angelsächsischen Ländern kein Verwaltungs- 
recht gebe, vgl. die treffenden Ausführungen von Goodnow, Com- 
parative Administrative Law, Students ed., New York und London 1902, 
I p.6ff., der hervorhebt, daß diese angebliche Nichtexistenz ihren Ur- 
sprung in Wahrheit „to the well-known failure of English law writers to 
classify the law‘ verdanke. Die Polemik des mit der deutschen Wissen- 
schaft nicht bekannten Dicev, p. 488, gegen Goodnow bestätigt diesen 
Satz. Als hervorragendes Beispiel eines verwaltungsrechtlichen Werkes 
der amerikanischen Literatur möge E.Freund The Police Power, 
Chicago 1904, genannt werden. Gegen Dicey auch E.M. Parker in 
der Harvard Law Review 1906 vol. 19 p.335 ff. und O.Koellreutter, 
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsprechung im modernen England
	        
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