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398 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
verletzung ist daher nicht völkerrechtliche Besitzstörung, sondern
Verletzung der angegriffenen Staatspersönlichkeit selbst).
Das Gebiet in diesem Sinne ist aber auch die notwendige
Voraussetzung der Ausübung der Staatsgewalt über die im Aus-
land weilenden Staatsangehörigen. Diese können der heimischen
Gewalt nur dadurch unterworfen bleiben, daß Rechtsfolgen der
Unterwerfung im Gebiete sich realisieren. Einem gebietslosen:
Staate würden alle Herrschaftsmittel über seine auswärtigen Mit-
glieder völlig mangeln.
Das Gebiet ıst aber zweitens räumliche Grundlage der
Herrschaftsentfaltung über sämtliche in dem Staate weilende
Menschen, mögen sie seine Angehörigen oder Fremde sein. Die
Herrschaftsbefehle des Staates sollen sich innerhalb seines
Gebietes realisieren, können Zustände seines Gebietes sichern,
Änderungen seines Gebietes bewirken. Nur in diesem Sinne
kann man von dem Gebiete als einem Objekt der Staatsherrschaft
sprechen. Damit wird aber häufig die falsche Vorstellung ver-
knüpft, daß das Gebiet selbst der unmittelbaren Herrschaft des
Staates unterliege, es somit ein staatliches Sachenrecht gebe?).
Nieinals jedoch kann der Staat direkt, ohne Vermittlung
seiner Untertanen, über sein Gebiet herrschen. Direkte recht-
liche Herrschaft über eine Sache, die sich in physischen Ein-
wirkungen auf diese äußert, ist Eigentum). Die Herrschaft über
!) Treffend Preuß Gemeinde S. 394: „Eine: Verletzung des Reichs-
gebiets ist eine Verletzung des Reiches selbst, nicht eines Besitzobjektes
desselben, sie entspricht gewissermaßen einer Körperverletzung, nicht
einem Eigentumsdelikt.‘“
2) Die Charakterisierung des Gebietes als sachlichen Objektes und
des Rechtes an ihm als staatsrechtlichen Sachenrechtes ist zuerst von
Gerber, 822, vorgenommen und namentlich von Laband, I S.191£f.,
energisch betont worden.
9) Sachherrschaft, die sich im Haben und Genießen der Sache
äußert, ist wesentliches Merkmal des dinglichen Rechtes. Die neueren
Versuche seit Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht S.161ff., und
Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechtes, 9. Aufl. 1 843, das
Sachenrecht in Verbote aufzulösen, führen zu vollständiger Verwischung
des Unterschiedes zwischen persönlichen und dinglichen Rechten und
lamit zu einem durch nichts Besseres zu ersetzenden Umsturz des ganzen
Rechtssystems. Ganz unverständlich wird aber vom Standpunkte der
neuen Theorie aus die so bedeutsame Lehre von den rechtlichen Eigen-
schaften und Unterschieden der Sachen, die, wenn nicht zum Rechte
gehörig, auch nicht rechtlich eingeteilt werden können. Es ist das ein-