Full text: Allgemeine Staatslehre

Dreizehntes Kapitel. Die rechti. Stellung d. Elemente des Staates. 405 
all jenen staatlichen Maßregeln abgeleitet wird, bei denen die 
Beziehung zum Territorium besonders sinnfällig vor die Augen 
tritt!). Erst Gerber und Fricker haben mit ihren einander 
widerstreitenden Lehren der vollen Klarheit‘ zum Siege ver- 
holfen. 
In der völkerrechtlichen Lehre?) jedoch hat sich die Vor- 
stellung von dein sachenrechtlichen Charakter der Beziehungen 
des Staates zu seinem Gebiete und einer besonderen, neben 
anderen Äußerungen der Staatsgewalt stehenden Territorialhoheit 
bis heute erhalten, weil die Völkerrechtslehrer die Staaten ihren 
internationalen Verhältnissen nach immer als den Individuen 
gleichartig betrachten, so daß an den völkerrechtlichen An- 
schauungen vom Wesen der Staatsgewalt viele Rudimente der 
ehemaligen patrimonialen Staatslehre haften geblieben sind?°). 
Und doch lassen sich alle völkerrechtlichen Erscheinungen angeb- 
lich sachenrechtlichen Charakters, wie Gebietsabtretungen, Ein- 
  
1) Vgl. z.B. Klüber, Oeffentl. Recht des teutschen Bundes 4. Aufl. 
88 328, 329, der die Gebietshoheit als Staatseigentum bezeichnet und aus 
ıhm u.a. das Verbot der Okkupation herrenloser Sachen durch Fremde 
ableitet: Maurenbrecher, Grundsätze des heutigen deutschen Staats- 
rechts 3. Aufl. 860, der nach alter Weise die Enleignung auf das Recht 
der Staatsgewalt am Staatsgebiet gründet; Zöpfl, Grundsätze I 8 273, 
der die Gebietshoheit der Justiz-, Polizei- und Privilegienhoheit koordiniert 
und II 8443 eine ganze Zahl spezieller Wirkungen aus ihr ableitet. Noch 
Gareis, Alig.StR. S.138ff., zieht aus der selbständig neben die Per- 
sonalhoheit gestellten Territorialhoheit eine Reihe von Konsequenzen. 
2) Namentlich bei nichideutschen Autoren pflegt die alte Lehre von 
dem besonderen dinglichen Hoheitsrecht heute noch fortzuwuchern, vgl. 
z.B. Calvo Le droit international theorique et pratique 5.6d. 1896 | 
S8 260ff.; F.v. Martens (übers. von Bergbohm), Völkerrecht I 888, 
der u.a. das Besteuerungsrecht aus der Gebietshoheit ableitet; Pradier- 
Fodere Trait& de droit international public europeen et americain 11 
1885 p. 127 ff. (handelt die Lehre vom Gebiet unter dem droit de propriete 
ab); P.Fiore Il diritto internazionale codificato, 4. ed. 1909 p. 175 $ 241; 
Rivier Principes du droit des gens 1896 p.288ff.; Bonfils-Grah 
S.139; aber auch v.Holtzendorff im Handbuch des Völkerrechts Il 
1857 S.289ff.; Kohler in der Ztschr. f. Völkerrecht und Bundesstaats- 
recht VI 1913 S.98. Daneben pflegt aber die Versicherung, daß die 
Territorialhoheit Imperium, nicht Dominium sei, nicht zu fehlen. 
3) Eingehend sucht Heilborn, a.a.0. S.5, die völkerrechtliche 
Lehre vom dinglichen Charakter des Gebietes unter Benutzung der 
neueren Theorie vom Sachenrecht zu verteidigen, aber ohne daß seine 
Polemik ein durchschlagendes Argument gegen die hier vertretene Auf- 
fassung brächte.
	        
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