Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 409
lichen Rechtes. Mitglieder des Staates, Volk in seiner subjektiven
Qualität, sind die Gesamtheit der Staatsgenossen, d.h. derjenigen,
die rechtliche Ansprüche an die Staatsgewalt haben. Das sub-
jektive öffentliche Recht ist die Grundlage des korporativen
Charakters des Staates.
Dasein und Bedeutung des subjektiven öffentlichen Rechtes
der Individuen wird der positiven Rechtslehre am spätesten von
allen Erscheinungen des öffentlichen Rechtes bekannt. Alles
öffentliche Recht wird zuerst in die Staatsgewalt verlegt, deren
Funktionen zugleich als Hoheitsrechte aufgefaßt werden, so daß
die Staatsgewalt als eine Summe von Rechten gegenüber den
Untertanen und fremden Staaten erscheint. Über diese An-
schauung kommt die Jurisprudenz des absoluten Staates nicht
hinaus. Daneben besteht die auf den Resten des Feudalstaates
beruhende Anerkennung von Herrschaftsrechten, Privilegien und
Sonderrechten von einzelnen und Verbänden, die aber nıcht im-
stande ist, den Begriff des subjektiven öffentlichen Rechtes der
Staatsglieder zur Erkenntnis zu bringen. Das Recht des einzelnen
wird vielmehr mit dem Privatrecht identifiziert. Nur soweit das
Privatrecht reicht, wird daher der einzelne vom Staate als Rechts-
träger ausdrücklich anerkannt?).
Die Erkenntnis und Anerkennung der subjektiven öffent-
lichen Rechte verdanken eineın erst jüngst klargestellten! eigentüm-
lichen Prozeß ihr Dasein, der innig mit der ganzen Entwicklungs-
geschichte des modernen Staates zusammenhängt. Im antiken
Staate war die Qualität des Bürgers als aktiven Staatsgliedes
klar erkannt, als Bürger derjenige bezeichnet worden, dem recht-
licher Anteil an der staatlichen Herrschaftsübung zusteht. Die
übrigen rechtlichen Qualitäten des einzelnen wurden theoretischer
Betrachtung und Erkenntnis nicht unterzogen, weil dem Hellenen
wie dem Römer jeder dringende politische Anlaß dazu mangelte.
Daher konnte sogar die falsche Vorstellung entstehen, als ob im
antiken Staate eine individuelle öffentliche Rechtssphäre über-
haupt nicht vorhanden gewesen wäre. Im mittelalterlichen Staate
hingegen fehlt die Vorstellung der staatlichen Einheit und damit
die des strengen Unterschiedes von Privat- und öffentlichem Recht.
Das Individuum erscheint der germanischen Rechtsanschauung von
1) Vgl. hierüber auch die vorzüglichen Ausführungen von O.Maver
I 8, 38£f.