412 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
in der Zeit zwischen der Petition und der Bill der Rechte mehr-
fach in ihren Kolonialgesetzen die alten und, neuen von der
Krone verliehenen Freiheiten in Urkunden zusammengefaßt, die
später ebenfalls als Bills der Rechte bezeichnet wurden. Un-
abhängig von diesen Erklärungen der Rechte fand aber in Amerika,
und zwar zuerst in Rhode Island, sodann aber auch in anderen
Kolonien die Gewissensfreiheit, wenn auch oft unter weitgehenden
Beschränkungen, rechtliche Anerkennung. Sie sollte selbstverständ-
lich nicht nur den englischen Kolonisten, sondern allen Menschen
zustehen, die sich auf dem Boden der Kolonie aufhielten. Damit
war bereits im 17. Jahrhundert ein allgemeines Menschenrecht
anerkannt, welches nicht in der Magna Charta oder den späteren
englischen Gesetzen, sondern in dem durch die Reformation zum
höchsten Richter in Glaubenssachen erhobenen menschlichen
Gewissen seinen Grund findet.
Das Naturrecht ging zwar von der ursprünglichen Freiheit des
Individuums aus, um aus ihm die staatliche Herrschaft abzuleiten.
Dieses Herrscherrecht hat aber, den meisten Schriftstellern zu-
folge, entweder gar keine Schranken oder nur diejenigen, die sich
der Herrscher selbst gesetzt hat. So kennt auch Rousseau
keine absoluten Grenzen für den herrschenden Gemeinwillen an,
der zwar für alle gleiche allgemeine Normen aufstellt, über den
Umfang der nach Abzug der gesetzlichen Beschränkung den
Individuen verbleibenden Freiheit aber nach seinem durch kein
Grundgesetz zu beschränkenden Ermessen entscheidet!).
allerdings mit einer anderen, vom Parlamente berufenen Dynastie ab-
geschlossen wird. Aber auch sie will formell nicht neues Recht schaffen,
sondern altes bestätigen, auch sie erhebt Beschwerde über den Bruch
geltenden Rechtes und verlangi nur die Erklärung, daß die angesprochenen
Rechte ‚die wahren und unzweifelhaften Rechte und Freiheiten des
Volkes dieses Reiches sind“. Daß sie ın Wahrheit auf dem Wege
authentischer Interpretation neues Recht schuf, kann hier nur angedeutet
werden. Auch in ıhr zeigt sich noch die Vermischung von objektivem
Landesrecht und subjektivem Recht des einzelnen. Ihre meisten Be-
stimmungen handeln von Pflichten und gesetzlichen Beschränkungen der
Krone. Noch einmal zeigt sich die alte dualistische Staatsanschauung,
der gemäß die Pflichten der Krone zugleich Gegenstand eines Forderungs-
rechtes des Volkes sind. Wie aus dem Pakt zwischen König und Volk
dem Fürsten ein Recht auf gesetzlichen Gehorsam entsteht, so dem Volke
auf Einhaltung der gesetzlichen Schranken durch den König.
!) Vgl. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte S.5ff. Noch
verdient auch hier hervorgehoben zu werden, daß gerade der Satz, bei