422 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslelire.
keit für den Staat, also Organhandlung?), so daß der individuelle
Anspruch nur auf die Zulassung zum Wahlakte geht?). Diese
(GP
1) Die Frage, ob das Wahlrecht individuelles Recht oder öffentliche
Funktion sei, taucht in dieser Form bereits in der französischen Kon-
stituante auf. In der Sitzung vom 11. August 1791 betonen Barnave und
Thouret seinen ausschließlichen Charakter als einer staatlichen Organ-
tätigkeit, vgl. Esmein p.307£.; Redslob a.a.0. S.143if. Später
haben Royer-Collard, Littre, Fouill&E u. a. dies getan, vgl. Coutani
Le vote obligatoire, Paris 1898, p. 40ff. Für Amerika haben Laboulaye
und Seaman, für England J. St. Mill den Funktionscharakter des Wahl-
rechtes behauptet (Coutant p. 43ff.), für Italien L. Rossi, Sulla natura
giuridica del diritto elettorale politico 1908 p. 18; für Deutschland vgl.
G.Jellinek System S.159ff,, Stahl Parteien 1863 5.193, ferner
G.Meyer D.parl. Wahlrecht. S. 411ff., Fleiner Inst. 5.162, und die da-
selbst Genannten. Pyfferoen, L’Electorat politique, Paris 1903, p. 7, be-
zeichnet diese Lehre als die bereits herrschende. Im heutigen Frankreich
bezeichnet Hauriou, Precis 5. ed. (vgl. aber auch Principes 1910
p. 462ff.) p. 49, das Wahlrecht als zusammengesetzt aus individuellem
Recht und öffentlicher Funktion (fonction sociale). Ähnlich Arangio-
Ruiz Intorno alla rappresentanza di diritto pubblico 1906 p.19f. Das
entspricht als praktische Folgerung ganz der von mir entwickelten Lelıre,
die das rechtliche Verhältnis der beiden Elemente des Wahlrechtes in der
auf Grund unserer heutigen öffentlich-rechtlichen Anschauungen einzig
möglichen Weise konstmiert. Wer das Wahlrecht anders faßt, kann es
nur mit gänzlicher Eliminierung eines seiner beiden notwendigen Elemente
tun. — Gegen die Auffassung des Wahlakts als einer Organhandlung
Triepel in der Z.£.Politik IV 1911 S.602, u.a. mit der Begründung,
die Wählerschaft sei ebensowenig Staatsorgan wie der Setzer des Reiclhıs-
gesetzblatts oder der Erbauer von Staatsgebäuden; dieser Vergleich dürfte
aber nicht ganz zutreffen.
?) Laband, I S.331 in der Note, wendet sich mit einer längeren
Ausführung gegen den von mir behaupteten Anspruch auf Anerkennung,
der den Kern des Wahlrechtes und anderer subjektiver öffentlicher
Rechte bildet. Dieser Anspruch folgt aber mit zwingender Notwendigkeit
aus meiner Auffassung des subjektiven öffentlichen Rechtes als unmittel-
baren Ausflusses der Persönlichkeit selbst. Will man ihn widerlegen, so
muß man ihm eine andere positive Theorie des subjektiven öffentlichen
Rechtes entgegensetzen. Das tut aber Laband nicht, an keiner Stelle
seines Werkes gibt er eine Definition seines Begriffes des subjektiven
öffentlichen Rechtes, wie denn auch die neuere Literatur über diese
Materie ganz ohne Einfluß auf ihn geblieben ist. Die Anerkennung als
Wähler (nicht des „Rechts zu wählen“, wie Laband mir unterstellt)
hat als notwendige Rechtsfolge die Zulassung zur Wahl, sowie
eine ganze Reihe anderer möglicher, praktisch bedeutsamer Ansprüche
(Recht der Anfechtung der Wahllisten, der Wahlanfechtung), die sich
in ähnlicher Weise aus der Qualität als Wähler ergeben, wie dies z.B.