Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 429
Aufrechterhaltung dieser Verhältnisse, mit einem Worte zur Be-
wahrung der Ordnung kann der Dienstherr Verweise erteilen
und andere Strafen festsetzen und vollstrecken. Hier ist nun
scheinbar ein sich durch eigene Machtmittel des Befehlenden
realisierendes Befehlsrecht gegeben. Allein als letztes und
schwerstes Disziplinarmittel ist überall, wo nicht staatliche Macht
hinzutritt, nur die Auflösung des persönlichen Verhältnisses,
die Ausstoßung aus dem Verbande gegeben. Trotz jener Diszi-
plinargewalt kann der ihr Unterworfene jederzeit aus dem Ver-
bande ausscheiden!) — es sei denn, daß die starke Hand des
Staates kraft Gesetzes ıhn im Verbande festhält — und sich da-
durch der Disziplinarstrafe entziehen?); ferner hat der Verband
selbsi dem beharrlich Widerstrebenden gegenüber kein anderes
aus eigener Macht fließendes Schutzmittel als Lösung des Bandes,
welches das Mitglied mit ıhm verknüpft, vorausgesetzt, daß dessen
Gebrauch dem Verbande vom Staate nicht verwehrt ist.
Herrschergewalt hingegen ist unwiderstehliche Gewalt. Herr-
schen heißt unbedingt befehlen und Erfüllungszwang üben
können). Jeder Macht kann sıch der Unterworfene entziehen,
nur der Herrschermacht nicht. Jeder andere Verband kann aus-
stoßen, der herrschende Verband kann aus ursprünglicher Macht
im Verbande festhalten. Nur bedingter Austritt ist aus dem
Staate möglich, nämlich um sich einem anderen zu unterwerfen.
Dem Imperium kann heute niemand, auch nıcht der Heimatlose,
entfliehen, es sei denn, daß er sich ın eine Wüste oder in die
Nähe der Pole flüchte. Nur solchergestalt willigt heute der
Staat in die Lösung des Bandes zwischen ihm und dem Mit-
1) Unterordnung unter einen privaten Verein ohne Austrittsrecht
wäre Sklaverei. Vgl. A.Leist Vereinsherrschaft und Vereinsfreiheit im
künftigen Reichsrecht 1899 S. 11.
2) Das haben die neueren Beamtengesetze selbst für die Staats-
beamten festgesetzt. Der Wandel der Anschauungen eines ganzen Jahr-
hunderts zeigt sich in dem Gegensatz des Allg. Landrechtes Teil Il
Tit. 10 8$ 95, 96, wonach die Entlassung der Beamten, allerdings nur aus
Rücksicht auf das allgemeine Beste, verweigert werden kann, und dem
Reichsbeamtengesetz vom 17. Mai 1907 S$ 75 und 100, das selbst dem in
Disziplinaruntersuchung ‘befindlichen Beamten die Befugnis gibt, durch
Niederlegung des Amtes sich der Disziplinarstrafe zu entziehen.
3) Der von Gerber, Grundzüge S.3f., 21, begründeten Lehre vom
Herrschen als wesentlichem Merkmal der Staatsgewalt haben deren
Gegner eine selbständige Untersuchung vom Wesen der Herrschergewalt
bisher nicht entgegengestellt.