Full text: Allgemeine Staatslehre

Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 431 
keine absolute Kategorie für die Beurteilung herrschaftlicher 
Verbände überhaupt. Im Mittelalter gab es zahlreiche Verbände 
nichtstaatlicher Art, die in größerem oder geringerem Umfange 
Herrschaft als ein ihnen ursprünglich zukommendes Recht aus- 
übten, und zwar selbst dann, wenn es geschichtlich vordem aus 
der Sphäre des Staates in die des nichtstaatlichen Verbandes 
hinübergeglittien war. Vor allem hatte die Kirche selbständige, 
ihr nicht vom Staate zugewiesene Herrschermacht, die sie oft 
mit dem gewaltigsten Erfolge gegen den Staat ausübte. Aber 
auch zahlreiche weltliche Verbände sowie Feudalherren übten 
Herrschaft aus, die sie als ihre eigene, nicht vom Staate ge- 
liehene betrachteten, oder die zu der vom Staate geliehenen 
als selbständige, ihrer Substanz nach nicht in der Staatsgewalt 
enthaltene hinzukam,. Schon aus diesem Grunde ist es auch 
kaum möglich, mit unseren modernen staatsrechtlichen Be- 
griffen für diese politische Welt scharf die Grenze zwischen 
Staat und nichtstaatlichem Verband zu ziehen. 
Mit dem Erstarken der Staatsgewalt aber im Kampfe mit 
den sie einengenden und bestreitenden Mächten beginnt sie die 
selbständige oder selbständig gewordene Gewalt aller dem Staate 
eingeordneten Glieder aufzusaugen und dadurch deren Unter- 
ordnung unter ihre Macht zu bewähren und zu vollenden. Der 
Staat wird der große Leviathan, der alle öffentliche Macht in 
sich verschlingt. Selbst da, wo er sie äußerlich bestehen läßt, 
eignet er sie sich dennoch in der Form an, daß er sich als ur- 
sprünglicher Eigner der untergeordneten, wenn auch ihm gegen- 
über relativ unabhängigen Macht setzt. Das zeigt sich darin, daß 
er sich das Recht zumißt, über alle Herrschergewalt auf seinem 
Gebiete durch sein Gesetz zu disponieren. Der moderne Staat 
erkennt zwar jedem Individuum und jedem Verbande ein ge- 
setzlich begrenztes Gebiet der Freiheit von seiner Gewalt zu, ein 
selbständiges Herrscherrecht jedoch, das ihm als unübersteigliche 
Schranke gegenüberstände, vermag er zufolge seines Wesens 
nicht anzuerkennen. Die entgegengesetzte Ansicht ist mit dem 
modernen Staatsgedanken unvereinbar und findet deshalb auch 
an den Tatsachen keine Stütze, sie vermag unter den Befugnissen 
der nichtstaatlichen Verbände keine einzige nachzuweisen, die 
ihrer Natur nach ein nichtstaatliches Herrschaftsrecht darstellt. 
Sie ist daher keine die Realität der Rechtsverhältnisse erklärende 
Lehre, sondern auf Umschaffung der Wirklichkeit gerichtet, indem
	        
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