Full text: Allgemeine Staatslehre

Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 433 
ganzen eigentümlichen Gestaltung der Staatsverwaltung in den 
Staaten englischen Ursprungs zusammenhängt!). 
Der das Gemeinwesen leitende und seine Zwecke versorgende 
Wille kann in primitiven Verhältnissen oder während staatlicher 
“ Erschütterungen den Charakter einer rein faktischen Gewalt 
haben, in entwickelten Staatswesen jedoch, unter normalen Ver- 
hältnissen, trägt er stets das Merkmal einer rechtlichen Gewalt 
an sich. Da er auf die Dauer nicht durch Einzelbefehle, sondern 
nur nach festen Regeln zu wirken vermag, da er fester In- 
stitutionen bedarf, um sich mit Sicherheit durchzusetzen, so liegen 
seiner Tätigkeit dauernde, feste, von den einzelnen Personen 
unabhängige Willensverhältnisse zugrunde. Solche durch feste 
Regeln geordnete Willensverhältnisse sind aber Rechtsverhältnisse. 
So ist denn im Begriffe der Staatsgewalt schon der der recht- 
lichen Ordnung enthalten. Daher ist die Staatsgewalt in ihrer 
Organisation und ihren Beziehungen zu ihren Objekten der 
Gegenstand des Staatsrechtes. Alles Staatsrecht ist Lehre von der 
Staatsgewalt, ihren Organen, ihren Funktionen, ihren Grenzen, 
ihren Rechten, ıhren Pflichten. 
Darum ist eine vollendete Kenntnis des Staates ohne Kenntnis 
seines Rechtes unmöglich. Unwissenschaftliche Einseitigkeit wäre 
es, den Staat nur unter dem Gesichtspunkte des Rechtes zu 
betrachten, alle Staatswissenschaft für eine juristische Disziplin 
zu erklären. Allein noch unwissenschaftlicher ist eine das recht- 
liche Element des Staates vernachlässigende Staatslehre, die mit 
historischer, politischer, soziologischer Methode das Ganze des 
Staates erfassen zu können vermeint. 
Faßt man die vorstehenden Erörterungen mit den oben ge- 
pflogenen Untersuchungen über die Natur des Staates zusammen, 
so ergibt sich nunmehr die tiefere Begründung des Satzes, dab 
der Staat seiner rechtlichen Seite nach die mit ursprünglicher 
Herrschermacht ausgerüstete Körperschaft eines seBhaften 
Volkes sei. 
Diese Definition aber gibt zu einer Fülle weiterer Probleme 
Anlaß. 
Vor allem erhebt sich die Frage nach den Eigenschaften 
der Staatsgewalt, nach den Merkmalen, die sicher herrschende 
  
1) Vgl. v. Holst a.a.0. S.174; Freund 2.2.0. S.177f.; Cooley 
The Constitutional Limitations p. 223ff. Vgl. auch unten Kap. XIX 
(S. 640 £.). 
G. Jellinek, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 28
	        
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