Vierzehntes Kapitel.
Die Eigenschaften der Staatsgewalt.
I. Die Souveränetät.
1. Geschichte des Souveränetätsbegriffes.
Bei keinem der staatsrechtlichen Grundbegriffe tut Erforschung
seiner geschichtlichen Entwicklung mehr not als bei dem der
Souveränelät. Aber nicht etwa handelt es sich hier um die
Literaturgeschichte des Souveränetätsbegriffes, um die Kenntnis
von den verschiedenen Nuancen, die er bei den einzelnen Schrift-
stellern empfangen hat!). Die folgende Darstellung wird lehren,
daß es sich in erster Linie um die Erkenntnis der historisch-
politischen Verhältnisse handelt, aus denen er sich entwickelt
hat. Souveränefät ist ihrem geschichtlichen Ursprunge nach eine
politische Vorstellung, die sich später zu einer juristischen ver-
dichtet hat. Nicht weltfremde Gelehrte haben sie in ihrer Studier-
stube entdeckt, gewaltige Mächte, deren Kampf den Inhalt von
Jahrhunderten bildet, haben sie ins Dasein gerufen. Dieser ge-
1) Zur Dogmengeschichte des Souveränetätsbegriffes vgl. Hancke,
Bodin Eine Studie über den Begriff der Souveränetät 1894 (in Gierke
Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, 47); Land-
mann Der Souveränetätsbegriff bei den französischen Theoretikern 1896;
Dock Der Souveränetätsbegriff von Bodin bis zu Friedrich dem Großen
1897; Dock Revolution und Restauration über die Souveränetät 1900;
Rehm Geschichte S. 192ff., Allg. Staatslehre S. 40ff.; Merriam
Historv of the theory of Sovereignty since Rousseau, New York 1900;
L.Raggi La Teoria della” sovranita 1908 p.13ff.; Bryce Studies in
Historv and Jurisprudence, Oxford 1901, II p. 49 ff. (die beiden Vorletzten
mit gründlichster, der Letzte ohne alle Kenntnis der neueren deutschen
Lehren). Von einer „Entwicklung“ ist in der Literärgeschichte der
Souveränetät zwar oft die Rede, aber trotzdem für ganze Epochen wenig
zu spüren. Vielmehr dreht sich häufig die Theorie im Kreise, so daß die
Irrtümer des 16. Jahrhunderts noch bei vielen Schriftstellern der Gegen-
wart deutlich wahrzunehmen sind.
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