440 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Roms von auswärtigen Gewaltent). Die Staatsdefinition Ciceros?),
die einzige uns von einem Römer überkommene, siebt an Klar-
heit und Bestimmtheit der des Aristoteles erheblich nach.
Wohl ist in Rom bis in späte Zeiten der Gedanke lebendig, daß
das Volk die Quelle aller öffentlichen Gewalten sei, aber die
Frage, wer im Staate die höchste Gewalt habe, ist, wie erwähnt,
eine ganz andere als die nach der Souveränetät des Staates.
Über den Umfang der dem populus zustehenden Machtfülle
finden wir keine Erörterungen. Die Juristen konstatieren einfach,
in welcher Form .er seine Befugnisse ausübte. Daß Sein und
Erkennen zweierlei sind, kann man vielleicht nirgends schärfer
studieren als an Rom, dessen Machtbesitz und gewaltiges Macht-
gefühl eine entsprechende theoretische Formulierung des Staats-
begriffes nicht hervorgebracht haben.
2. Daß das Altertum aber zur Erkenntnis der Souveränetät
nicht kommen konnte, hatte seinen wichtigen historischen Grund.
Es mangelte nämlich in der alten Welt, was einzig und allein
die Souveränetätsvorstellung zum Bewußtsein zu bringen ver-
mochte: der Gegensatz der Staatsgewalt zu anderen
Mächten.
Der moderne Staat ist von den antiken Staaten scharf ge-
schieden dadurch, daß er sich anfangs von verschiedenen Seiten
bestritten fand, sein Dasein sich daher erst in schwerem Kampfe
erringen mußte. Drei Mächte sind es, die im Laufe des NMlittel-
alters seine Selbständigkeit bestreiten. Zunächst die Kirche,
welche den Staat zu ihrem Diener zwingen will, sodann das
römische, Reich, das den Einzelstaaten nur die Geltung von Pro-
vinzen zuerkennt, endlich die großen Lehnsträger und Körper-
schaften im Staate, die sich als selbstberechtigte Mächte neben
und gegenüber dem Staate fühlen.
1) Gegen diese Sätze richtet Erich Pollack, Der Majestätsgedanke
im römischen Recht 1908 S.74ff., eine ganz unverständliche Polemik.
Er gibt zu, daß die Römer die Souveränetät nirgends definieren, meint
aber, daß sie trotzdem von der „völkerrechtlichen Souveränetät“ eine
ganz bestimmte Vorstellung gehabt hätten. In einer Geschichte des
Souveränetätsbegriffes, wie sie hier gegeben wird, haben jedoch nicht
bloß „ganz bestimmte“, aber nicht formulierte, sondern nur ganz klar
ausgesprochene und daher fortwirkende Vorstellungen ihren Platz.
2) Respublica = res populi. Populus autem non omnis hominum
coetus quoquo modo congregatus, sed coctus multitudinis iuris consensu
et utilitatis communione sociatus. De Rep. I 25.