Full text: Allgemeine Staatslehre

446 Drittes Buch. Allgeıneine Staatsrechtslehre. 
bestimmung des Staates gegeben. Die Betonung dieser Un- 
abhängigkeit war der antiken Staatslehre fremd geblieben. Jedoch 
ist man noch weit davon entfernt, damit einen neuen klaren 
Staatsbegriff zu erfassen. Noch war der theoretische Anspruch 
des Imperiums auf Superioritas nicht überwunden. Noch war das 
Wesen der Staatsgewalt nicht klar erkannt. Endlich ist auch 
der Schnitt zwischen den Gemeinwesen mit und ohne Superior 
kein so tiefgehender, daß die ersteren den letzteren ohne weiteres 
als Nichtstaaten entgegengestellt werden müssen!). 
Um zur Einsicht in das Wesen der Staatsgewalt zu gelangen 
und die Erkenntnis von der äußeren Unabhängigkeit des Staates 
mit der von dem Wesen und der Stellung der Staatsgewalt zu 
verbinden, bedurfte es noch einer ganz anders gearteten Reihe 
von Erfahrungen. 
Nicht nur Kirche und Reich nämlich, auch der Feudalismus 
tritt dem Gedanken des selbständigen Staates feindlich entgegen. 
Das Lehnswesen, später auch die emporkommende Stadtfreiheit 
schaffen einen Zustand, der in einigen Ländern zuzeiten — man 
denke nur an das Interregnum — an völlige Staatslosigkeit streift. 
Indem die Feudalherren und Kommunen mit staatlicher Macht 
ausgerüstet werden, die sie nach Art eines Privatbesitzes behandeln, 
treten im Staate dem Staate selbstberechtigte öffentlich-rechtliche 
Persönlichkeiten gegenüber, deren Recht nicht der Verfügung 
des Staates unterliegt. Weit davon entfernt, sich als Organe 
eines höheren Ganzen zu betrachten, erblicken diese Personen 
im Staate nur den, in der Regel unbequemen, Lehnsherrn, dessen 
  
ist noch folgendes. Der Ausdruck „superiorem non recognoscere‘“ bezieht 
sich keineswegs nur auf universitates. Er wird schon früh vom König 
von Frankreich gebraucht. So heißt es c.13 X 4,17 (Innocenz 111): 
„Cum rex superiorem in temporalibus minime recognoscat“. Ferner läßt 
das „recognoscere“ seinem Ursprunge nach die Rechtsfrage in der 
Schwebe. Nicht von der civitas, quae superiorem non habet, sondern 
von der, die Jede Unterordnung bestreitet, ist die Rede, was bereits die 
Glossatorern bemerkt haben, vgl. Finke Aus den Tagen Bonifaz’ VII. 
1902 S. 156. Damit erklärt sich auch der zitierte Satz des Bartolus, daß 
trotz der Negierung ihrer Unterstellung unter das Imperium die Könige 
von Frankreich und England nicht aufhören, römische Bürger zu sein. 
1) Die schwankende Terminologie bezeugen die bei Gierke Ill 
3.355 N.14, 3.639 N. 336, 337, S.640 N. 339 angeführten Stellen. Auch 
Paul de Castro monopolisiert nicht, wie Gierke, S.640, meint, den 
Staaisbegriff für die universitates superiorem non recognoscentes, sondern 
erblickt in diesen nur die höchste Steigerung seines Staatsbegriffes.
	        
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