Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewal. d4ö3
für die Auffassung des staatlichen Charakters Frankreichs dar-
stellt, wird von Bodin gezogen. Nur erhebt er sein Resultat,
das aus der politischen Geschichte Frankreichs abstrahiert ist, ins
Absolute. Der nach langen Kämpfen errungene Souveränetäts-
gedanke wird von ıhm als wesentlichstes Merkmal seiner Staats-
definition eingefügt. „Republique est un droit gouvernement de
plusieurs mesnages, et de ce qui leur est commun, avec puissance
souveraine‘‘!J, Diese Staatsdefinition enthält in der Tat etwas
wesentlich Neues, in der ganzen vorangegangenen Literatur nicht
Enthaltenes. Daß jede gerechte Herrschaft über eine Vielheit
von Haushaltungen, die mit souveräner, d. h. nach außen und
innen höchster und unabhängiger Gewalt ausgestattet ist, einen
Staat darstelle, das oder ähnliches hat vor Bodin niemand
behauptet, und er hat vollkommen recht, wenn er sich das Ver-
dienst zuschreibt, diesen Souveränetätsbegriff zuerst ausgeprägt zu
haben?). Vor ıhm hat man ein Moment der Souveränetät: die
äußere Unabhängigkeit und die suprema potestas einzelner
Fürsten, des Kaisers und des Königs von Frankreich erkannt;
eine Zusammenfassung aller Elemente des Souveränetätsbegriffes
zu einer Einheit hat jedoch vor Bodin nicht stattgefunden. Erst
durch ihn ist der Komparativ ‚„souverain‘‘ definitiv zum Superlatıv,
die superioritas zur suprema potestas geworden.
Dieser Begriff aber in der von Bodin aufgestellten Formu-
lierung ist wesentlich negativer Natur. Die „absolute, von allen
Gesetzen entbundene Gewalt über Bürger und Untertanen‘ be-
deutet zunächst nur die Verneinung alles dessen, was sich als
selbständige Macht über, neben und im Staate behaupten will:
der Herrschergewalt des Papstes, des Reiches, der Stände). Der
Staat hat eine souveräne Gewalt, heißt zuvörderst nur: der Staat
1) Six livres de la Republique 1576 I1. In der lateinischen be-
kannteren Fassung: Recta plurium familiarum et rerum inter ıipsas
communium cum summa perpetuaque potestate gubernatio.
2) Principio definienda fuit maiestas, quam nec philosophorum nec
iurisconsultorum quisquam definiit. 18 (ed. tertia, Frankfurt 1644, p. 123).
3) Noch aber ist die höchste Steigerung des Souveränetätsbegriffes
bei Bodin nicht vollzogen, da der Herrscher durch die göttlichen und
natürlichen Geseize gebunden ist (18 p.130). Vgl. auch Landmann
a.2.0. S.50ff.; Rehm Geschichte S.129. Die absolute rechtliche
Schrankenlosigkeit, die im Begriff des summum imperium liegt, hat erst
Hobbes zu begründen gesucht.