Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewal. 455
greifender Irrtümer führt, die historisch von den schwerwiegend-
sten Folgen begleitet waren.
In den mittelalterlichen Kämpfen um die Unabhängigkeit
des Staates und seiner Gewalt ist es überall die Monarchie,
welche als Träger des Staatsgedankens auftritt. Daher erscheint
dem politischen Denken der Kampf um den Staat wesentlich als
Kampf des weltlichen Herrschers mit dem Papste, des Königs
mit dem Kaiser, des Landesherrn mit den Feudalherren oder
Kommunen. Es ist daher fast selbstverständlich, daß die
Souveränetät zuvörderst auf den Monarchen bezogen wird. Der
Staat wird zu einem Gemeinwesen, an dessen Spitze ein sou-
veräner Herr steht. Die neuen politischen und naturrechtlichen
Theorien erkennen zwar auch andere Staatsformen als die Mon-
archie an, zunächst aber wenden sie sich ihr mit Vorliebe zu.
Die Staatsgewalt kann sich als unabhängige Macht nur bewähren,
wenn der Fürst im öffentlichen Rechte durch nichts gebunden
ist, wenn die ganze Staatsordnung zu seiner Disposition steht.
Da der Staat schlechthin’ unabhängig ist, so muß auch seine
höchste Gewalt absolut sein. So nimmt die Souveränctätslehre
dıe \Wendung zum Absolutismus. Der Schöpfer der wissenschaft-
lichen Souveränetätslehre wird sofort zum ersten Verteidiger der
rechtlichen und politischen Notwendigkeit des absoluten Staates.
Auch hierin wird man die Wirkung der Zeitverhältnisse auf die
staatsrechtliche Theorie klar erkennen. Daß Bodin in den
Wirren der Bürgerkriege in der Anerkennung der königlichen
Allmacht das Rettungsmittel des Staates erblickt, ıst bereits hervor-
gehoben worden. Nicht anders war es aber mit der Fürstenmacht
in den anderen kontinentalen Staaten bestellt. In dieser Zeit
des Überganges zum. modernen Staate war Konzentration der
fürstlichen Gewalt das notwendige Mittel, um die Staatseinheit her-
zustellen, wie in Spanien, wo zwei bisher selbständige Staaten sich
zu verschmelzen hatten, oder um sie vor den noch immer starken
zentrifugalen Mächten des ständischen Sondergeistes zu bewahren.
Die Staatslehre jener Tage hatte nur in eine juristische Formel
gefaßt, was zwei Menschenalter früher Machiavelli in Form
politischer Vorschriften für den zu bildenden nationalen Staat der
Italiener gefordert hatte: eine fürstliche Gewalt, die rücksichtslos
nur den eigenen Willen gelten lassen will, alles zerschmetternd,
was sich ihr in den Weg stellt.
Die neue Lehre — und das tritt im 17. Jahrhundert noch