456 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
schärfer hervor — verlegt nun den Staat immer mehr in die
Person des Fürsten und läßt das Volk .nur als Objekt fürstlicher
Tätigkeit bestehen. Diese Wendung der Theorie wird in ihrer
wissenschaftlichen Eigentümlichkeit nur verständlich, wenn man
die Verbindungsglieder in Betracht zieht, die von der voran-
gegangenen Entwicklung der Staatslehre zu ihr hinführen. Das
Mittelalter hatte sich lebhaft mit der Frage nach dem Ursprung
der weltlichen Gewalt beschäftigt. Nur zwei Möglichkeiten standen
dem Denken jener Zeit offen: göttlicher oder menschlicher Ür-
sprung. Die Lehre vom göttlichen Ursprung der weltlichen Gewalt
wird zunächst von der Kirche bekämpft; auch die später von ihr
gepflegte Lehre von der Zurückführung des Imperiums auf gött-
liche Einsetzung wird fortdauernd durch eine Theorie vom mensch-
lichen Ursprung der Gewalt der jeweiligen Machthaber ergänzt.
Damit tritt frühe schon die zweite Alternative in den Vorder-
erund. Für sie gibt aber die altrömische Formel, derzufolge
die Gewalt ursprünglich bei der Volksgemeinde ruht, die mit un-
erschütterlicher Autorität umkleidete Basis ab. Dazu treten, wie
schon früher erwähnt, durch die Bibel vermittelt, altjüdische Ge-
danken, sowie die Tatsache der Bestellung der geistlichen und
weltlichen Häupter der Christenheit durch Wahl, um das Volk
als den einzigen, unbestreitbaren, ursprünglichen Inhaber der
höchsten Gewalt erscheinen zu lassen. Überdies entspricht es
auch den germanischen Rechisanschauungen, den vorerst ganz
unentwickelten Staai als eine große Genossenschaft zu betrachten,
derer Gewalt nichts anderes als die Gesamtgewalt der Genossen
ıst. Da die Theorie jener Zeiten, der Wirklichkeit abgewendet,
sich nur in den antik-scholastischen Kategorien zu bewegen
vermag, so ist ihr nur die eine Alternative gegeben, entweder
das Volk fortdauernd als Machtquell im Staate aufzufassen oder
den Monarchen durch Entäußerung der Macht von seiten dieses
ihres ursprünglichen Inhabers entstehen zu lassen. Je mehr die
fürstliche Gewalt sich zu konzentrieren strebt, desto energischer
wird von ihren Gegnern ihr popularer Ursprung betont. Im
14. und 15. Jahrhundert von hervorragenden Schriftstellern
vertreten, wird er in den durch die Reformation heraufbeschwo-
renen inneren Wirren der westlichen Staaten zum Kampfesmittel
gegen die nunmehr auch das Gewissen bedrängende weltliche
Macht. In der dem Bodinschen Werke über den Staat gleich-
zeitigen monarchomachischen Literatur wird die Ableitung des