Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalt. 461
Bodin gefesselt hatte, bekämpfen mußte, kann zur Behauptung
der Identität des Staates bei Änderung der Verfassung nur durch
Gegenüberstellung von Staat und Herrscher gelangen. Daher
unterscheidet er zwischen dem subjectum commune und dem sub-
jectum proprium der maiestas, deren ersteres der Staat, letzteres
der Herrscher ist!). Allein auch er kommt nicht zur klaren
Scheidung von Staat und Volk, so daß auch seine Lehre schließ-
lich in die von der Volkssouveränetät als Grundlage der Herrscher-
souveränctät einmündet?).. Nur indem er die Tätigkeit des
Herrschers mit der des Sehens parallelisiert, die sowohl auf den
ganzen Körper als auch auf das Auge als Subjekt bezogen werden
kann®), kommt er der richtigen Auffassung nahe, ohne sie indes
erreichen oder gar festhalten zu können.
4. Nunmehr werden uns die Versuche verständlich werden,
den seinem Ursprung und Wesen nach negativen Souveränetäts-
begriff mit einem positiven Inhalt zu erfüllen. Aus der abstrakten
Vorstellung einer alle ihr entgegenstehenden Ansprüche nicht-
staatlicher Mächte negierenden Gewalt ließ sich keine wie immer
geartete positive Folgerung auf ihren Inhalt herleiten. Um den
zu gewinnen, wendet sich die Theorie dem konkreten Staatsleben
zu. Sie beobachtet einfach die souveräne Person, die sie an der
Spitze des Staates sieht, zählt die Befugnisse auf, die ihr gemäß
dem herrschenden Rechtszustande zustehen, um sie sodann als
wesentliche, begriffsnotwendige Elemente der souveränen Gewalt
zu behaupten. Bei dieser Rationalisierung des positiven Staats-
rechtes läuft aber unvermerkt ein schwerwiegender, für die ganze
Entwicklung der rechtlichen Grundanschauungen höchst bedeut-
samer Fehler unter. Es wird nämlich Staatsgewalt mit
Souveränetät identifiziert. Dies zeigt sich sofort schon
bei Bodin, der die souveräne Gewalt mit einer Anzahl von
einzelnen Rechten ausfüllt. Diese werden aber keineswegs aus
dem Wesen der Souveränetät abgeleitet, also nicht bewiesen, daß
sie einer nichtsouveränen Gewalt aus eigenem Rechte gar nicht
zustehen können. Vielmehr vertritt die Behauptung die Stelle
1) 13 87,1.
2) Vgl. Gierke Althusius S.173f.; Rehm, Geschichte S. 237, der
Grotius konsequentere Einsicht in das Wesen der Staatssouveränelät
zuschreibt, indes auch S. 241 die Unklarheiten des Grotiusschen
„populus‘“ hervorhebt.
3) A.a.0.