Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalt. 473
Gewande auftreten. Woher stammt aber dieses eigene Recht?
Da es aus der irdischen Rechtsordnung des Staates nicht begriffen
werden kann und soll, so tritt nunmehr wiederum die theo-
logische Staatslehre voll in ihre niemals ganz aufgegebenen Rechte.
Nicht das Volk, aber auch nicht der Staat, sondern Gott allein
ist der Ursprung der monarchischen Gewalt, und damit knüpft
die neue Lehre an die alte an, gegen welche von Marsilius von
Padua bis Rousseau die Vertreter der ursprünglichen Volksrechte
so energisch gekämpft hatten.
Bis tief in die Literatur des 19. Jahrhunderts, ja bis in die
Gegenwart hinein dauern die Unklarheiten und Verwirrungen in
der Auffassung der Souveränetät!). So z. B. halten selbst die-
jenigen, welche die Souveränetät als Eigenschaft der Staatsgewalt
und diese als ein Element des Staates erkannt haben, trotzdem
noch an der Lehre von dem eigenen Recht der Monarchen fest.
Den darin liegenden Widerspruch hat nun Bernatzik klar
erkannt und zu lösen versucht?), aber auf einem Wege, der nicht
mit Erfolg betreten werden kann. Bei den anderen aber steht
Altes und Neues zusammenhanglos nebeneinander. Immerhin ist
es ein interessantes Schauspiel, zu sehen, mit welcher Macht
überkommene Vorstellungen und Dogmen selbst auf die wirken,
die sich der alten Ketten entledigt zu haben glauben.
Die richtige Einsicht in das Verhältnis des Organs zur Staats-
souveränetät ıst von den Gegnern der naturrechtlichen Staats-
lehre im wesentlichen Zusammenhange mit der organischen
Staatstheorie angebahnt worden. Volle Klarheit hat erst die
neuere deutsche Staatsrechtslehre gebracht, deren Grundlagen
gerade in dem Streite um die Auffassung der Souveränetät zuerst
Albrecht in seiner epochemachenden Kritik des Maurenbrecher-
schen Staatsrechts verkündet hat°). Den richtigen Weg hat so-
„aaß die Souveränetät in der Erbmonarchie das reine Privatrecht
(Eigentum, Teil des Patrimoniums) der Fürsten sein soll‘.
t) Vgl. Rehm, Staatslehre S.57ff., der nachweist, wie in der
Literatur und der offiziellen Sprache die drei verschiedenen Bedeutungen
der Souveränetät (als Eigenschaft der Staatsgewalt, als Rechtsstellung
des höchsten Staatsorgans und als Staatsgewalt) fortwährend durch-
einanderlaufen.
2) Republik und Monarchie 1892 S.27ff. Dazu meine Besprechung
im Archiv £.öff. Recht VII S. 175 ££.
3) Gött. gel. Anz. 1837 III S. 1491.